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Politiker-Dienstwagen Bundesministerien widersprechen Umwelthilfe-Berechnungen

Reden ja, handeln nein - auf diese deprimierende Formel lässt sich das Fahrverhalten vieler deutscher Spitzenpolitiker bringen. Umweltminister und Regierungschefs halten sich nicht ansatzweise an die strengen Ökovorgaben - die Emissionen ihrer Limousinen liegen weit über dem EU-Grenzwert von 130 Gramm je Kilometer.

Anmerkung: Dieser Artikel hatte ursprünglich die Überschrift "Ulla Schmidt fährt den größten Klimakiller" und befasste sich mit einem Dienstwagen-Ranking der Deutschen Umwelthilfe. Die DUH-Angaben zum Auto der Bundesgesundheitsministerin waren fehlerhaft. SPIEGEL ONLINE hat deshalb eine Korrektur veröffentlicht.

Hamburg - Viele Politiker-Dienstwagen stoßen rund doppelt so viel CO2 aus wie die EU-Kommission künftig noch zulassen will. Dies gab die Deutsche Umwelthilfe (DUH) heute in Berlin bekannt.

Die meisten Minister-Dickschiffe sind besonders üppig motorisiert, werden erst bei Tempo 250 elektronisch abgeregelt und verbrauchen große Mengen Kraftstoff. Von dem geplanten EU-Grenzwert (130 Gramm je Kilometer) sind diese Autos meilenweit entfernt.

"Nach eineinhalb Jahren intensiver Klimadebatten, nach Weltklimakonferenzen und zahlreichen Gesetzesinitiativen zur Eindämmung der Klimakiller ist die Dickfelligkeit vieler Politiker bei der Wahl ihres Dienstwagens erschreckend", urteilt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Resch ist der Ansicht, die Mandatsträger müssten mit gutem Beispiel vorangehen: "Tatsächlich bestimmen die Minister mit ihrem Vorbild mit darüber, welche Autos morgen gekauft werden. US-amerikanische Starlets und Pop-Ikonen sind an diesem Punkt erheblich weiter als die Mehrheit der deutschen Minister."

Die Dienstwagenaufstellung ist für Klimaschützer echte Grusellektüre: Spitzenreiter ist Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Sie wird in einem Mercedes S 500 mit 388 PS und einem CO2-Ausstoß von 286 Gramm je Kilometer durch die Gegend chauffiert.


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Beim Kohlendioxid ebenfalls Spitze ist Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus. Er ist in einem BMW 750i mit 367 PS und einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 271 Gramm je Kilometer unterwegs.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zumindest hat von einem Audi A8 TDI (249 Gramm CO2 je Kilometer) auf einen Mercedes E 200 mit Erdgasantrieb umgesattelt und so den Schadstoffausstoß auf 222 Gramm CO2 je Kilometer gesenkt.

Nur Berlins Umweltsenatorin erfüllt den EU-Grenzwert

Gabriels Amtskollegen in den Ländern jedoch fallen als Spar-Vorbilder aus. Mit einer Ausnahme: Berlins Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) fährt einen Toyota Prius mit Hybridantrieb (78 PS, 104 Gramm CO2). Hamburgs bisheriger Umweltsenator und neuer Wirtschaftsressortchef Axel Gedaschko (CDU) ist hingegen im BMW 525 d (197 PS, 165 Gramm CO2) unterwegs.

Von Umweltgedanken keine Spur findet sich bei der Dienstwagen-Auswahl der Umweltminister aus Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen, deren Dienstautos deutlich über 300 PS leisten und bis zu 249 Gramm CO2 je Kilometer ausstoßen.

Der DUH zufolge erforderte die Recherche der Daten einen ungeheuren Aufwand. Zahlreiche Staatskanzleien und Ministerien hätten die Auskunft verweigert, obwohl die jeweiligen Umweltinformationsgesetze der Länder eine Veröffentlichung vorsähen. Meist geschah dies mit dem Verweis auf Sicherheitsbedenken.

Thüringens Umweltminister Volker Sklenar hielt die Information über seinen Dienstwagen zwar nicht zurück (es ist ein Audi A8, 326 PS, 249 Gramm CO2), erkundigte sich aber im Gegenzug nach dem "Dienstwagen des Bundesgeschäftsführers der DUH". Der fährt einen Toyota Prius - mit einem Ausstoß von 104 Gramm CO2 pro Kilometer.

jüp

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