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Landarzt verzweifelt gesucht

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Dr. Gunter Gottschalk und seine Mitarbeiterin Brigitte Huber in ihrer (fast) leer geräumten Praxis. Foto zip
Dr. Gunter Gottschalk und seine Mitarbeiterin Brigitte Huber in ihrer (fast) leer geräumten Praxis. Foto zip © OVB

Der Hausarzt Dr. Gunter Gottschalk hat beinahe 20 Jahre lang in Obertaufkirchen praktiziert. Nun geht er in Ruhestand. Einen Nachfolger konnte er trotz zweieinhalbjähriger, intensiver Suche nicht finden.

Obertaufkirchen - Auch die Bundesärztekammer hat das Problem erkannt: "Ein Landarzt arbeitet viel und verdient dafür relativ wenig." Nachfolger für die rund 80000 deutschen Hausärzte, die in den nächsten Jahren in Ruhestand gehen werden, seien Mangelware. Der Arztberuf in Deutschland sei einfach zu unattraktiv geworden.

Dr. Gunter Gottschalk, seit 1. April pensionierter Dorfarzt von Obertaufkirchen, sieht es genauso: "Landarzt ist ein wunderschöner Beruf, aber unter den heutigen Bedingungen würde ich es nicht mehr machen." Junge Mediziner würden sich heutzutage lieber für die geregelten Dienstzeiten an Krankenhäusern oder die bessere Bezahlung im Ausland oder in der Industrie entscheiden. "Für's Land bleibt da keiner übrig."

Gottschalk, eigentlich gebürtiger Berchtesgadener, wollte immer Landarzt sein, "es war mein Traumberuf." Seine Devise habe immer gelautet: "Ich begleite meine Patienten von der Geburt bis zum Tod." Sein Beruf sei eine "sehr wichtige und moralisch sehr befriedigende Aufgabe" gewesen. Am Ende hätten allerdings Bürokratie und Verwaltung überhand genommen: "Ich hatte einfach die Schnauze voll."

Zweieinhalb Jahre lang hatte der heute 66-Jährige einen Nachfolger für seine Praxis gesucht: "Der hätte sich hier reinsetzen und anfangen können", klagt Gottschalk. Seine Praxis sei eingeführt und modern ausgestattet. "Ich habe es auf allen Ebenen versucht", berichtet Gottschalk, neben Annoncen zum Beispiel im Bayerischen Staatsanzeiger hätten auch vier Praxisvermittler nach einem Nachfolger für die Obertaufkirchener Praxis gesucht. Nicht einmal das Angebot, vom Nachfolger im ersten Jahr nur die halbe Miete zu verlangen, habe gezogen. "Es ist aussichtslos", fasst es Gottschalk zusammen.

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) sieht man zwar das Problem, hält es aber für nicht so gravierend. Sprecherin Susanne Weckmann: "Es stimmt, die Zeit, einen Nachfolger für eine Hausarztpraxis zu finden, dauert heute länger." Vielerorts gebe es aber lediglich eine "gefühlte Unterversorgung". Der sogenannte Versorgungsgrad im Landkreis Mühldorf betrage derzeit 108 Prozent, der Landkreis sei damit eigentlich überversorgt. Laut Weckmann gibt es im Umkreis von 15 Kilometern um Obertaufkirchen 82 Hausärzte.

Dr. Gunter Gottschalk ist dagegen überzeugt, dass die medizinische Versorgung durch das Fehlen eines Hausarztes vor Ort schlechter werden wird. Das nächstgelegene Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) liegt in Dorfen. "Viele alte Leute kommen da nicht hin", so Gottschalk. Außerdem sei es wichtig, das persönliche Umfeld der Patienten - etwa in Form von Hausbesuchen - kennenzulernen. Gottschalk ist überzeugt: "Die MVZ machen uns kleine Praxen kaputt."

Generell sei der Ärztemarkt kein offener Markt, betont Gottschalk. Zwar ist die sogenannte Niederlassungsfreiheit für Allgemeinmediziner weit weniger reguliert als für Fachärzte. Dennoch ist es nach wie vor nicht einfach, eine Hausarztpraxis beispielsweise an das eigene Kind zu übergeben.

An jungen Menschen, die den Arztberuf ergreifen wollen, mangelt es jedenfalls nicht, im Gegenteil. Wie die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) in Dortmund mitteilt, gab es im Sommersemester 2010 für 1536 Studienplätze im Fach Humanmedizin 16322 Bewerber. Zum Vergleich: Im Sommersemester 2000 hatte es nur 10914 Bewerber auf 2960 Studienplätze gegeben.

Dr. Gottschalk jedenfalls hat die Hoffnung auf einen Nachfolger aufgegeben. Seinen Patienten hat er deren Patientenakten bereits zurückgegeben, die Praxisräume sind so gut wie leer geräumt. Auf seinen Ruhestand freut er sich, zumal er ja im Dorf weiterhin mit seinen alten Patienten in Kontakt bleibt: "Es gibt immer etwas zu tun." zip

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