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Deutschland Kommentar

Ärzte nehmen ihre Patienten in Geiselhaft

Politikredakteurin
Demonstration der Ärzte der Leipziger Uniklinik Demonstration der Ärzte der Leipziger Uniklinik
Ärzte des Leipziger Universitätsklinikums fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit
Quelle: picture alliance / dpa/dpa-Zentralbild
An vielen Kliniken streiken Ärzte für mehr Gehalt. Doch wenn Ärzte streiken, leiden die Patienten. Herz- und Krebskranke auf eine Operation warten zu lassen, ist unmenschlich. Auch Ärzte sollen für ihre Interessen kämpfen. Aber nicht in dieser Form. Sie könnten sich ein Beispiel an der Anti-Atom-Bewegung nehmen.

Seit heute bestreiken Ärzte 100 der bundesweit insgesamt 700 kommunalen Krankenhäuser– unbefristet. Dieser Streik der Ärzte ist unethisch, denn er wird auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen. Die Versorgung von Notfällen ist zwar gesichert. Aber Patienten, die auf einen Bypass oder ein neues Hüftgelenk warten, müssen sich nun gedulden.

Aus medizinischer Sicht mag es in vielen Fällen tatsächlich nicht auf einen Tag oder eine Woche ankommen. Die betroffenen Patienten aber befinden sich angesichts einer bevorstehenden Operation in einer existenziellen Ausnahmesituation die oft mit großen Ängsten verbunden ist. Wenn die Müllabfuhr streikt oder Bus und Bahnen nicht fahren, wissen sich die Menschen irgendwie selbst zu helfen. Wenn es aber um die Gesundheit geht, sind Patienten auf Ärzte angewiesen – und ihnen damit ausgeliefert.

Mit ihrem Streik wollen die Ärzte ihre Forderung nach besserer Bezahlung verstärken und Druck auf die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände ausüben. Dabei nehmen sie die Patienten quasi in Geiselhaft. Patienten haben keinen Einfluss auf die Tarifverhandlungen, sie zahlen Monat für Monat ihre stetig steigenden Krankenkassenbeiträge und wollen einfach nur behandelt und nicht vertröstet werden.

Patienten sind Versicherte, und Versicherte sind auch Verbraucher. Es ist höchste Zeit, dass Verbraucherschützer die Interessen der Krankenversicherten vertreten. Und auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) muss die Seite die Beitragszahler ergreifen. Es darf nicht sein, dass eine aufgeschobene Operation zum Gesundheitsrisiko wird.

Was ist mit Herzpatienten und Krebskranken, die nicht in akuter Lebensgefahr schweben, aber dringend operiert werden müssen? Diese Patienten warten zu lassen ist unmenschlich. Im Sommer 2006 haben die 70.000 Ärzte an kommunalen Krankenhäusern mit einem achtwöchigen Streik bereits Einkommensverbesserungen von mehr als zehn Prozent herausgeholt. Auch Ärzte sollen für ihre Interessen kämpfen, doch darf ihr Protest nicht schon wieder zu Lasten der Patienten gehen.

Die Anti-Atom-Bewegung hat vorgemacht, wie friedlicher Protest aussehen kann und Ende April mehr als 120.000 Menschen für eine Menschenkette mobilisiert. Das können auch die Ärzte schaffen, wenn sie Patienten und Versicherte zu ihren Verbündeten machen und gemeinsam auf die Straße gehen: für einen Umbau des Gesundheitssystems, der vorhandene Mittel effizienter einsetzt, so dass Ärzte besser bezahlt und Patienten (noch) besser versorgt werden.

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