Streit mit Ärzteverband eskaliert:AOK kündigt Hausarztvertrag fristlos

Aus Ärger über den angedrohten Systemausstieg der bayerischen Hausärzte hat die AOK den Hausarztvertrag fristlos gekündigt - mit Folgen für die Versicherten.

D. Mittler

Während sich im Freistaat Hausärzte noch darauf vorbereiten, am kommenden Mittwoch in Nürnberg über eine kollektive Rückgabe ihrer Kassenzulassung zu beraten, schafft Bayerns größte Krankenkasse Fakten: "Die AOK Bayern hat den Hausarztvertrag mit dem Bayerischen Hausärzteverband heute fristlos gekündigt", teilte die Kasse am frühen Donnerstagmittag mit. Etwa zur gleichen Zeit überreichte ein Eilbote in der Münchner Geschäftsstelle des Bayerischen Hausärzteverbands bereits das Kündigungsschreiben.

AOK Bayern kündigt Hausarztvertrag fristlos

Die AOK Bayern ist aus dem Hausarztvertrag fristlos ausgestiegen.

(Foto: dpa)

Damit eskaliert der seit vielen Monaten schwelende Konflikt zwischen Bayerns größter Kasse und den Hausärzten endgültig. "Es ist unmöglich und unzumutbar, mit einem Verband zusammenzuarbeiten, der sich in zentralen Fragen der Sozialgesetzgebung rechtswidrig verhält und andere zum Rechtsbruch aufruft", begründet Bayerns AOK-Chef Helmut Platzer die drastische Reaktion seiner Kasse. Verständnis findet er damit bei Axel Munte, dem langjährigen Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB): "Der Hausärzteverband hat die Schmerzgrenze seiner Vertragspartner eindeutig überschritten", sagte er.

Der Hausärzteverband wiederum zeichnet die Kassen als Scharfmacher: "Sie behandeln Hausärzte, die aus diesem Unterdrückungssystem ausscheiden wollen, wie Kriminelle", heißt es in einem Rundbrief des Verbandes an seine Mitglieder - der noch vor der Vertragskündigung verfasst wurde. Offensichtlich, so heißt es, wollten die Kassen "ein Versorgungschaos veranstalten", während die Hausärzte mit ihrem Ausstieg aus dem Kassensystem "einen geordneten Übergang in ein neues System" im Sinn hätten.

Die Hausärzte erwägen, aus dem Kassensystem auszusteigen. Ihr Verband würde dann - einer Gewerkschaft gleich - mit den Kassen Honorare aushandeln und notfalls auch zum Streik aufrufen. Das genau dürfen im Kassensystem verbleibende Ärzte eben nicht tun.

Dass die AOK Bayern nun das Vertragsverhältnis aufkündigt, trifft indes nicht allein die mehr als 7000 Hausärzte im Freistaat, denen der AOK-Vertrag bislang ein höheres Honorar garantiert hat. Auch die 2,6 Millionen AOK-Versicherten, die am AOK-Hausarztmodell teilnahmen, müssen vorerst auf attraktive Zusatzangebote verzichten - etwa auf die weitgehende Befreiung von der Praxisgebühr. Die Patientenorganisation "Gesundheitsladen" in München warnte indes vor falschen Schlüssen. Die medizinische Versorgung sei durch die Vertragskündigung der AOK nicht gefährdet.

Brief an die Versicherten

Wie Platzer im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung erklärte, sollen AOK-Versicherte in den kommenden Tagen von ihrer Kasse einen Brief erhalten. Darin will die AOK erklären, warum sie nicht anders habe reagieren können und warum auch für Patienten gewisse Vergünstigungen vorerst wegfallen. Dazu zählen Zusatzleistungen nach Krankenhausaufenthalten und Operationen, die Patienten normalerweise selbst zahlen müssen, sowie ein jährlicher "besonders umfassender Gesundheits-Check und ein Hautscreening" - Leistungen, mit denen die AOK bislang für ihren Hausarztvertrag warb.

Am Donnerstag versuchte die Kasse, Ängste ihrer Versicherten abzufangen: Sie könnten "ihren Hausarzt wie gewohnt weiterhin mit ihrer Versichertenkarte aufsuchen", teilte die AOK mit. "Die Kündigung betrifft nicht die Kassenzulassung der Hausärzte, die unverändert bestehen bleibt - es sei denn, die Hausärzte geben sie von sich aus zurück", heißt es in ihrer Erklärung, auf die der Hausärzteverband bis Redaktionsschluss nicht reagierte.

Die AOK hatte ihren Hausarztvertrag eigentlich schon in der ersten Dezemberwoche gekündigt - doch unter der Vorgabe, dass alles beim Alten bleiben könne, wenn der Hausärzteverband seine Vorbereitungen auf einen Ausstieg aus dem Kassensystem aufgebe. Der Hausärzteverband reagierte darauf mit der Vorverlegung der Ausstiegsveranstaltung vom 26. Januar 2011 auf den 22.Dezember.

Platzer kündigte an, dass die AOK nun nach neuen Vertragspartnern suchen werde. Einer steht bereits Gewehr bei Fuß: "Wenn der Bayerische Hausärzteverband jetzt nicht gegenüber den Kassen einlenkt, dann steht die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns als potentieller Partner der AOK bereit", sagt Munte.

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