Die Forderungen waren zu erwarten. Kaum ist der Schreck richtig angekommen, dass Deutschland Terroranschlägen wie in London und Madrid nur durch Glück entkommen ist, und die Erleichterung zu spüren, dass einer der mutmaßlichen Täter so schnell gefasst wurde, rufen Politiker von rechts bis links reflexhaft nach neuen Überwachungstechniken und Vollmachten für die Sicherheitsbehörden. Neben einer verstärkten Videokontrolle und einer Terror-Datei sollen jetzt sogar bewaffnete "Rail-Marshalls" in den Zügen patrouillieren, um ähnliches für die Zukunft zu verhindern. Viele Zeitungen unterstützen an diesem Montag diese wohlfeilen Appelle, ohne recht nachzudenken, was die geforderten Werkzeuge anrichten können - und was sie in der Gesellschaft anrichten würden, die es ja zu schützen gilt.

Denn zunächst einmal: Dass der Erbauer der beiden in zwei Regionalzügen gefundenen Kofferbomben so kurz nach dem öffentlichen Fahndungsaufruf ergriffen wurde, deutet doch darauf hin, dass die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten ausreichen und die Sicherheitsbehörden effektiv arbeiten. Warum dann also noch zusätzliche Mittel? Zweitens handelte es sich bei dem Verhafteten nach den bisherigen Erkenntnissen um einen unauffälligen libanesischen Studenten, der bislang nicht einschlägig aufgefallen und registriert war. Wie soll gegen solche Täter, die in keine Raster passen, eine bundeseinheitliche Anti-Terror-Datei helfen?  

Drittens haben alle seit den Anschlägen vom 11. September 2001 erlassenen Verschärfungen, und das waren nicht wenige, diese knapp gescheiterten Anschläge nicht verhindern können. Woher nehmen diejenigen, die nun eine noch stärkere Dosierung fordern, die Gewissheit, dass die Arznei diesmal wirken würde? Ein Beispiel: Seit den Anschlägen von New York dürfen wir keine Nagelfeile mehr mit ins Flugzeug nehmen. In London aber wollten die Attentäter flüssigen Sprengstoff verwenden, weshalb jetzt Flüssigkeiten an Bord verboten werden sollen. Und wenn sie beim nächsten Mal den Sprengstoff im T-Shirt-Stoff verstecken - besteigen wir dann alle das Flugzeug nackt?

Schließlich aber, und vor allem, muss man immer wieder daran erinnern, was die islamistischen Terrorristen zerstören und was wir verteidigen wollen: eine freie, offene, demokratische Gesellschaft. Wenn wir mit Hysterie auf die verständliche Angst reagieren, die die Terroristen erzeugen möchten, wenn wir mutwillig einschränken oder zerstören, was unsere westliche Kultur ausmacht, vollenden wir selber das Werk der Islamisten.    

Von solchen liberalen Gedanken ist aber an diesem Montag wenig in den deutschen Zeitungen zu lesen. Recht entlarvend der Kommentar im Handelsblatt : "Man weiß nichts Genaues, aber alles deutet darauf hin: Deutschland ist im Fadenkreuz des islamistischen Terrors." Also, so die Schlussfolgerungen, müssen neue Sicherheitsmaßnahmen her. Denn: "Wer sich um sein Leben sorgt, der schert sich erst einmal wenig um seine Freiheit." Und wer Angst vor dem Tod hat, bringt sich besser gleich selber um.

Die Bild -Zeitung formuliert das gleiche erwartungsgemäß populistischer: "Das Böse kommt ganz harmlos daher: Der Attentäter von heute kann der junge Mann mit deutschem Pass von nebenan sein - ein Student wie an jeder Uni. Die neue Gefahr kommt aus dem Nichts." Deshalb am besten gleich jeden überwachen, man weiß ja nie! Und zwar "lieber heute als morgen! Deshalb, Politiker, heißt die Devise handeln! Parteienstreit kann in diesem Fall lebensgefährlich sein!" Merke: Deutschland kennt keine Parteien mehr, Deutschland kennt nur noch den Terror.