Patientendaten: Big Data für bessere Versorgungsqualität

Auf dem Berliner Kongress "Big Data konkret" wurde über den Nutzen diskutiert, der sich aus der Verarbeitung von Patientendaten im großen Stil ergibt. Viele Redner beschwerten sich über den deutschen Datenschutz als Forschungshemmnis.

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Patientendaten: Big Data für bessere Versorgungsqualität
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Von
  • Detlef Borchers

Auf der Konferenz "Big Data konkret" in Berlin wurde erörtert, wie sich aus großen Sammlungen von Patientendaten am besten nutzen lassen. Für Nino Mangiapone, Leiter des Grundsatzreferates "eHealth/Telematik" im Gesundheitsministerium, ist Big Data "die Gewinnung von neuen Erkenntnissen aus großen unstrukturierten Datenmengen in Echtzeit". Die Technik sei unverzichtbar, um die Versorgungsqualität der Bevölkerung zu verbessern, etwa in der Epidemologie-Prognostik oder der Bekämpfung von Betrug im Gesundheitswesen. Als Anwendungsbeispiel nannte Mangiapone die Debatte über das Langzeit-Insulin Lantus, das zunächst nicht in den Leistungskatalog verschreibbarer Medikamente der Krankenkassen aufgenommen wurde. Nach einer umfangreichen Studie sei die Entscheidung dank Big Data revidiert worden.

Matthias Kölbel vom Bundesforschungsministerium erklärte, was in Deutschland an Big Data-Studien in Zusammenhang mit dem Smart Data-Programm der Bundesregierung gefördert wird. Daten aus der Krankenversorgung und der medizinischen Forschung sollten über "Datenintegrationszentren" an Universitätskliniken ausgetauscht und genutzt werden. Die Vernetzungspartner müssten dabei in den nächsten drei bis vier Jahren neue Konzepte für den Datenschutz und den Datenzugriff durch eigens geschaffene Medizininformatik-Professuren entwickeln.

Aus der Praxis berichtete der Mediziner Thomas Zahn vom gesundheitswissenschaftlichen Institut der AOK Nordwest über das Plattform-Projekt SAHRA (Smart Analysis Health Research Access), einer Installation einer SAP HANA-Datenbank und SAS Visual Analytics, gefüllt mit pseudonymisierten AOK-Daten aus der Kranken- und Pflegeversicherung. Zahn beklagte den Datenschutzaufwand, der es nicht gestatte, dass Daten in den unterschiedlichsten SAHRA-Teilprojekten mehrfach genutzt, erhalten und kombiniert werden könnten. Er regte an, das Bundesdatenschutzgesetz und das Sozialgesetzbuch zu überarbeiten, damit künftig Forschungsverbünde mit Krankenkassen zulässig seien, wenn sie zusammen mit Trustcentern den Datenzugriff strikt regelten.

Ähnlich argumentierten weitere Industrie-Vertreter: Frederic Gerdsen von Cerner Health Services beklagte die föderale Datenschutzstruktur in Deutschland, die wegen 20 unterschiedlicher Gesetzeslagen dazu führe, dass Forschungsverbünde praktisch auf einzelne Bundesländer begrenzt seien und damit das Gegenteil von Big Data erreicht sei. Friedhelm Leverkus von Pharmakonzern Pfizer meinte, dass Konzepte wie Datensparsamkeit und Zweckbindung hinderlich seien und verwies auf Untersuchungen, nach denen Patienten wollen, dass selbst höchst persönliche Daten geteilt werden, wenn dies der Medizin zugute kommt. Versicherte sollten die Möglichkeit haben, ihre Gesundheitsdaten selbst zu nutzen oder die Nutzungsrechte weiterzugeben.

Aus der Perspektive der Versicherten war auf der Konferenz wenig zu hören, Datenschützer waren erst gar nicht auf die Konferenz eingeladen. Ein Plädoyer für Versicherte hielt Daniel Sonntag, der über die Projekte Klinische Datenintelligenz und Theseus Medico und andere Big-Data-Projekte berichtete. Besonders eingänglich fand Sonntag die Philosophie des give data, get data des Projektes Patients like me, wo es am Ende der Kette vom Datensammeln und -aggregieren heißt: "Then, we share the patient experience with the industry so they can develop better products, services, and care." (anw)