Facebook, "Fake News" und die Privatisierung der Zensur

Bild: Veluben/CC BY-SA-3.0

Auf Druck der Politik will Facebook zukünftig Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen lassen und gegebenenfalls deren "Sichtbarkeit reduzieren". Entsteht nun ein privates Wahrheitsministerium?

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Nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA hat sich in Politik und Leitmedien der Blickwinkel verfestigt, "Fake News", also Falschmeldungen, würden die Wahlentscheidung der Bürger massiv beeinflussen und seien daher zu bekämpfen. Problematisch daran ist vielerlei.

Zunächst ist der behauptete Zusammenhang zwischen Falschmeldungen und Wahlergebnissen nicht belegt. Zum Zweiten ist unklar, wie "Fake News" in ihrer Definition abgegrenzt werden sollen von spekulativen und unbelegten Berichten, wie sie in den Leitmedien selbst häufig auftauchen. Schließlich und wohl am wichtigsten: Das zentrale Ausfiltern von Nachrichten auf einer quasi monopolistischen Plattform, die von einem Großteil der Bevölkerung genutzt wird, ist nichts anderes als Zensur.

Facebook selbst ist sich dessen offenbar bewusst. Die Unternehmenschefin Sheryl Sandberg meint aktuell: "Wir wollen nicht entscheiden, was die Wahrheit ist. Und ich glaube, niemand will, dass wir das tun. Also müssen wir mit Dritten zusammenarbeiten, die Experten sind."

Am Sonntag hat Facebook nun verkündet, wen der Konzern als Wahrheits-"Experten" in Deutschland ausgewählt hat: die Journalisten des Online-Portals Correctiv. Correctiv bezeichnet sich selbst als "gemeinnütziges Recherchezentrum", "nicht gewinnorientiert" und "unabhängig". Doch schon hier beginnen viele Probleme.

Spin-Doctor im Hintergrund

Chef des 2014 gegründeten Portals und seiner etwa 20-köpfigen Redaktion ist David Schraven, zuvor ab 2010 Chef des Recherche-Ressorts der milliardenschweren WAZ-Mediengruppe, welche damals von Bodo Hombach geleitet wurde. Medienprofi Hombach ist auch bekannt als einflussreicher Wahlkampf-"Spin Doctor" und Kanzleramtschef Gerhard Schröders. Die FAZ nannte ihn seinerzeit "den Kanzlerflüsterer".

Seit 2011 ist Hombach Vizechef der finanzstarken Brost-Stiftung, die Correctiv mit einer Geldspritze überhaupt erst ermöglicht hat und weiterhin regelmäßig als größter Sponsor des Portals fungiert. Im letzten Jahr floss gut eine Million Euro. Weitere Sponsoren des "unabhängigen Recherchezentrums" waren 2016 unter anderem (Zahlen gerundet): die Deutsche Bank (50.000 Euro), George Soros' Open Society Foundations (25.000 Euro), das deutsche Innenministerium über seine "Bundeszentrale für politische Bildung" (20.000 Euro), das ZDF (5.000 Euro), die CDU-nahe Konrad Adenauer Stiftung (4.000 Euro) sowie RTL und Google (jeweils 10.000 Euro).

Wie unabhängig Journalisten sind, die solche Finanziers im Hintergrund haben, sei einmal dahingestellt. Als unstrittig darf sicher gelten, dass Correctiv in der Elite von Politik, Wirtschaft und Medien außergewöhnlich gut vernetzt ist.

Dieser Eindruck ist dem Image von kritischem Journalismus natürlich abträglich. In der Eigendarstellung gibt man sich als volksnah und kritisch gegenüber den Mächtigen. Immer wieder werden, trotz der bestehenden Millionenförderung durch reiche Sponsoren, für einzelne Recherchen zusätzlich Crowdfunding-Kampagnen gestartet und damit der Eindruck erweckt, es handle sich um ein bedrohtes Start-Up, einen Anwalt der "kleinen Leute".

"Helft uns, über ein Crowdfunding unsere Anwaltskosten zu finanzieren", heißt es etwa, ganz so, als sei das Portal auf zusätzliche Kleinspenden existenziell angewiesen.