E-Card:Die elektronische Gesundheitskarte muss gerettet werden

Elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge

Das System der Karten soll sensible Patientendaten so gut wie möglich schützen - im Gegensatz zu vielen Gesundheits-Apps.

(Foto: dpa)

Das Projekt schützt die Patienten, auch wenn es Unmengen an Steuern verschlingt. Die Politik darf den Markt nicht unfertigen Gesundheits-Apps überlassen.

Kommentar von Kristiana Ludwig

Im Krankenhaus der Zukunft begegnen Patienten vor dem Arzt zunächst dem Computer. Die Mediziner sollen auf diese Weise in Sekundenschnelle erfahren, welchen Menschen sie vor sich haben. Selbst dann, wenn er bewusstlos ist. Liegt dort ein Allergiker oder ein chronisch Kranker? Nimmt der Patient Medikamente, wurde er letzte Woche operiert? Informationen können Leben retten. Das ist die Idee hinter einer elektronischen Gesundheitskarte für jeden Bürger.

Doch seit dieser Plan von der Bundespolitik ersonnen wurde, ist mehr als ein Jahrzehnt verstrichen. Mehr als eine Milliarde Euro wurde investiert. Trotzdem ist das Ergebnis bis heute nichts weiter als eine nutzlose Plastikkarte mit einem bunten Passbild. Nicht einmal die Adresse der Patienten, die darauf gespeichert ist, lässt sich elektronisch ändern. Viel Aufwand, wenig Nutzen. Kein Wunder, dass nun das Gerücht die Runde macht, die Bundesregierung wolle das Projekt Gesundheitskarte bald endgültig beerdigen.

Aber die Gesundheitskarte ist kein Berliner Flughafen und auch keine Elbphilharmonie. Selbst wenn die Entwicklung der Technik, die zum Auslesen ihrer Daten nötig ist, viel Steuergeld verschlungen hat - die Regierung sollte an ihr festhalten. Das System der Karten soll sensible Patientendaten schließlich so gut wie möglich schützen. Denn Diagnosen über ansteckende Krankheiten, chronische Leiden oder psychische Probleme können, wenn sie in die falschen Hände geraten, einem Menschen erheblich schaden. Informationen können auch Leben zerstören.

Mittlerweile ist jedoch längst ein Markt für Smartphone-Apps entstanden, die Patienten einen ähnlichen Service bieten sollen: Rezepte, Röntgenbilder oder den Entlassungsbrief der Klinik für die Hosentasche. Gesetzliche Krankenkassen investieren gerade viele Versichertenbeiträge in die Entwicklung solcher digitalen Akten. Sogar das bayerische Gesundheitsministerium werkelt an einem eigenen "Leuchtturmprojekt", einer digitalen Gesundheitsakte nur für Bayern.

Dass neben dem schwerfälligen Kartenprojekt der Regierung neue Ideen entstehen, ist einerseits gut. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist ein wichtiger Wachstumsfaktor für die Branche und für Deutschland. Auch für den medizinischen Fortschritt wäre es schädlich, wenn die Regierung digitale Innovationen ausbremsen würde.

Andererseits unterscheiden sich die privaten digitalen Anwendungen nicht nur stark von der Gesundheitskarte, sondern auch untereinander. Die Kassen arbeiten an Sonderprojekten für wenige Patienten. Systeme, die nur Versicherten einzelner Kassen helfen, sind für sie schließlich ein Wettbewerbsvorteil. Den Bürgern aber erschwert so ein Geschäft irgendwann den Krankenkassenwechsel. Wenn die Technik nicht mit der App der neuen Kasse kompatibel ist, gehen Befunde verloren. Es ist das Apple-Prinzip.

Allzu viel Sorglosigkeit kann bei den Apps schnell zur Falle werden

Hinzu kommt, dass die Vorgaben für den Schutz der Patientendaten bei den Kassen-Apps wesentlich geringer sind als beim staatlichen Hochsicherheitsnetz für die Gesundheitskarte. Zwar ist es für Patienten freiwillig, ihre Diagnosen auf ihr Smartphone zu laden. Doch sind die neuen Apps erst einmal etabliert, könnten Sorglosigkeit und Bequemlichkeit für viele Menschen zur Falle werden. Sie werden den Angeboten ihrer gesetzlichen Krankenkassen vertrauen. Und damit Apps, deren Sicherheitsstandards weit unter denen der Gesundheitskarte liegen.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) arbeitet also zu Recht weiter an der Gesundheitskarte und dem staatlichen Sicherheitsnetz für Patienteninformationen. Es ist gut, dass er Ärzte, Kassen und Technikunternehmen Fristen setzt, sie zum Rapport bestellt und Bußgelder verhängt. Doch wenn er zulässt, dass nebenher ein Markt entsteht, durch den Patienteninformationen auf weit unsichereren Kanälen verschickt werden, sind all die Millionen Euro und die vielen Jahre der zähen Entwicklung wenig wert.

Die Regierung muss sich nun diesem neuen Geschäft zuwenden. Sie muss dafür sorgen, dass auch private Gesundheits-Apps strengen Sicherheitsvorgaben unterliegen. Patienten müssen genau auswählen können, welche Informationen sie auf ihr Handy spielen.

Die Kassen brauchen vor allem technisch einheitliche Vorgaben. Genauso leicht wie der Einstieg in die App muss für Patienten auch der Umstieg zu einer anderen Kasse sein. Ebenso wie der Ausstieg.

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