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Die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch.

© epd

Diskussion um Hass im Netz und Pressefreiheit: Storch-Satire verstößt gegen Twitter-Regeln

Die „Titanic“ lädt eine fiktive Beatrix von Storch als Gast-Twitterin ein. Nun wird der Magazin-Account gesperrt. Dabei war der inkriminierte Tweet als Parodie gekennzeichnet.

Nicht nur die AfD-Politikerin Beatrix von Storch, auch die "Titanic" hat jetzt Ärger mit und wegen Twitter. Das Satiremagazin kann nicht mehr auf den eigenen Twitter-Account zugreifen. Das soziale Netzwerk hat den Zugang gesperrt und für die Rücknahme dieser Maßnahme zur Bedingung gemacht, einen parodistischen Tweet zu löschen.

Das Magazin hatte sich eine fiktive Beatrix von Storch als Gast-Twitterin eingeladen.  In diesem hatte die "Gasttwitterin" Beatrix von Storch verkündet: "Wisst Ihr, was Twitter auf Arabisch heisst, liebe @polizei_nrw_k? Ja? Pfui! Ich weiß es nicht - denn das letzte, was ich haben will, sind besänftigte barbarische, muslimische, gruppenvergewaltigende Männerhorden! (bvs)."

Die echte AfD-Bundestagsabgeordnete Storch hatte zuvor, kurz nach Silvester, Ärger mit Twitter aufgrund des folgenden Tweets: "Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf arabisch? Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?" Gegen Storch wird aufgrund des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt.

"Wir wollten einer verfolgten Kämpferin für Menschenunrechte Asyl bieten. Denn wenn wir Twitter richtig verstehen, ist es ein Forum für die Schwächsten unserer Gesellschaft: mehrfach herausgeforderte Politiker mit speziellen Ansichten, ganz besondere Menschen also", sagte "Titanic"-Chefredakteur Tim Wolff. "Dass nun solche Unterstützung einen Verstoß gegen die Twitter-Regeln darstellen soll, verwundert uns." Auf dem Twitter-Account der "Titanic" waren zuvor schon "Bild"-Chef Julian Reichelt und Alexander Gauland (AfD) als "Gäste" aufgetreten - ohne Konsequenzen.

"Wir sind schockiert", sagt Chefredakteur Wolff

Auch wenn es offiziell von Twitter nicht so kommentiert beziehungsweise erklärt wird - diese Sperrung dürfte auch eine Folge des am 1. Januar in Kraft getretenen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes sein. Durch das Gesetz gegen Hass im Internet (Netzwerkdurchsetzungsgesetz, NetzDG) können Nutzer gezielt strafbare Inhalte melden, die auf den deutschen Seiten sozialer Netzwerke verfügbar sind. Als Reaktion auf das Gesetz haben Facebook, Google oder auch Twitter neue Prozeduren eingerichtet. Das NetzDG sieht bei Verstößen gegen Löschpflichten für die Unternehmen hohe Bußgelder vor, regelt aber nicht die Frage der Strafbarkeit der Inhalte.

Wohlgemerkt: Eine regelrechte Sperrung eines Accounts sieht das neue Gesetz nicht vor, es geht dabei ums Löschen von inkriminierten Beiträgen in Sozialen Netzwerken. Wird ein ganzer Account gesperrt, beruht das auf einem Verstoß gegen die Richtlinien des jeweiligen Netzwerks.

Die "Titanic" jedenfalls gibt sich unschuldig. "Wir sind schockiert", sagt Chefredakteur Wolff. "Da haben uns Heiko Maas und Angela Merkel im Vorhinein anderes zugesagt! So sind wir nicht mehr gewillt, dabei mitzuhelfen, unbescholtenen, besorgten Bürgern eine linksgrünversiffte Umerziehung zu verpassen." Man werde dies beim nächsten Geheimtreffen "in aller Deutlichkeit" ansprechen. "Titanic" werde, so Wolff weiter, den inkriminierten Tweet nicht löschen und "wartet auf eine Reaktion des Twitter-Support-Teams und aus dem - ,noch!' - befreundeten Justizministerium".

Inzwischen hat der Deutsche Journalisten-Verband reagiert. Der DJV fordert von den Verantwortlichen des Kurznachrichtendienstes, jegliche Form von Zensur gegenüber dem Satiremagazin sofort zu beenden. DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall kritisierte die Zensur als „vorauseilenden Gehorsam, um mögliche Geldstrafen nach dem NetzDG zu verhindern“. Die Social Media-Verantwortlichen hätten mit ihrem Vorgehen massiv in die Pressefreiheit eingegriffen.

„Mit der Zensur gegen die ,Titanic' ist genau das eingetreten, wovor wir schon im Gesetzgebungsverfahren gewarnt haben“, so Überall: „Ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit Sitz in den USA bestimmt darüber, wie weit Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland reicht.

Das sei der Ausverkauf von Grundrechten. Der DJV-Vorsitzende sieht vor dem aktuellen "Titanic"-Hintergrund alle Voraussetzungen erfüllt, damit der Bundestag das NetzDG sofort lösche. Überall: „Das wäre dann mal eine sinnvolle Löschung.“

Sinnvoll wäre auch eine Antwort oder Erklärung von Twitter selbst auf all diese Fragen. Das Unternehmen hat für solche Angelegenheiten allerdings keinen direkten deutschen Presse-Kontakt.

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