Upload in Computer klappt …

Grafik: TU Wien. Bearbeitung: Telepolis

... aber bislang nur beim Fadenwurm

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Den drei an der Technischen Universität in Wien forschenden Informatikern Mathias Lechner, Radu Grosu und Ramin Hasani ist es gelungen, das Nervensystem des Fadenwurm Caenorhabditis elegans (C. elegans) als Software in einen Computer zu übertragen und nachzuweisen, dass der "hochgeladene" virtuelle Wurm auf Reize genau so reagiert wie ein echter Nematodenwurm auf echte Reize in der Realität. Dafür ließen sie ihn eine Aufgabe bewältigen, die Hasani zufolge dem Balancieren eines Stabes ähnelt.

Fadenwürmer sind etwa einen Millimeter lang und bestehen aus ungefähr 1000 Zellen. 302 davon sind Neuronen, die ein sehr einfaches Nervensystem bilden. Dieses sehr einfache Nervensystem wurde mittels Software nachgebildet und in Computern zum Laufen gebracht. Allerdings weiß man dabei noch nicht, ob und welche Informationen, über die man keine direkten Messungen aus wissenschaftlichen Experimenten hat, noch fehlen. Nähern kann man sich diesem Wissen, indem man dem virtuellen Wurm Aufgaben überträgt und sich ansieht, ob er sie wie ein realer bewältigt.

Lernvorgänge mittels einer Veränderung der Synapsenstärken

In der Realität kriecht ein Fadenwurm in die andere Richtung, wenn er auf ein Hindernis trifft. Dieses in seinem Nervensystem fest angelegte Verhalten wird in der Natur über Lernvorgänge mittels einer Veränderung der Synapsenstärken des Reflexnetzwerks verstärkt. Dass das beim virtuellen Wurm genau so funktioniert, demonstrierten Lechner, Grosu und Hasani dadurch, dass sie die Software lediglich über eine Zielvorgabe selbständig und ohne weiteres Zutun lernen ließen, einen Stab im Gleichgewicht zu halten (siehe Grafik).

"Das Ergebnis", so Lechner, "ist ein Controller, der ein reales technisches Problem lösen kann" - "doch kein Mensch hat je eine Zeile Code dieses Controllers programmiert, er entstand einfach durch Trainieren eines biologisch entstandenen Nervensystems".

Über 86 Milliarden Nervenzellen und Billionen von Synapsen beim Menschen

Obwohl die erste Nervenzelle bereits in den 1940er Jahren simuliert wurde, ist der Fadenwurm bislang das einzige Lebewesen, dessen elektronische Simulation relativ erfolgreich war. Als Nächstes hat sich die Wissenschaft die schwarzbäuchige Taufliege vorgenommen. Bis zu einer Emulation des menschlichen Bewusstseins scheint es noch ein weiter Weg. Immerhin verfügt der menschliche Körper über 86 Milliarden Nervenzellen und Billionen von Synapsen, die auf sehr komplexe Weise miteinander vernetzt sein können. Die derzeit verfügbaren bildgebenden Verfahren "reduzieren diese Vielfalt im Sekundentakt auf einige Zehn- bis Hunderttausend Datenpunkte".

Die Vorstellung, dass sich Bewusstsein potenziell aus einem kohlenstoffbasierten Hirn in dauerhaftere und leistungsfähigere Strukturen uploaden lässt, findet sich in zahlreichen Science-Fiction-Romanen. Der Schotte Ken MacLeod prägte zur Beschreibung eines massenhaften Uploads von Individualbewusstsein in haltbareres Material im Weltraum den religiös schattierten Ausdruck "Entrückung der Nerds", den Cory Doctorow und Charlie Stross als Titel eines ganzen Buches übernahmen.

Unsterblichkeit oder Weiterleben einer Kopie?

Solche Fantasien inspirierten Transhumanisten (vgl. Vom biologischen Menschen zum posthumanen Wesen) wie den russischen Milliardär Dmitri Itskow, der erste Möglichkeiten des unmittelbaren Uploads von Erinnerungen und Denkstrukturen in Computer bereits für 2035 erwartet. Zehn Jahre später soll diese Technologie dann so ausgereift sein, dass die Singularität erreicht ist (vgl. Analoge versus Digitale Seele).

Der studierte Ökonom will zur Verwirklichung seines Traums nicht nur Geld aus seinem eigenen Vermögen einsetzen: In einem offenen Brief an die reichen Männer und Frauen der Welt, die das Wirtschaftsmagazin Forbes jährlich in einer Liste veröffentlicht, forderte er die Top-Verdiener dazu auf, sich an seinem Vorhaben finanziell zu beteiligen und verspricht ihnen dafür einen früheren Zugang zu einer "Unsterblichkeit", die Skeptiker wie Stephan Schleim als Verwechslung mit dem Weiterleben einer Kopie kritisieren (vgl. Homo Deus: Gehirn-Upload, Unsterblichkeit, Künstliche Intelligenz).