Also doch! Studie bestätigt Zusammenhang von Cannabis-Konsum und psychotischen Symptomen bei Jugendlichen

Pauline Anderson

Interessenkonflikte

18. Juli 2018

Cannabis-Konsum erhöht nach einer neuen Untersuchung unmittelbar das Psychose-Risiko bei Jugendlichen. Eine große prospektive Studie in dieser Altersgruppe zeigt, dass in Bezug auf das Psychose-Risiko „der Cannabis-Konsum bei Jugendlichen schädlich ist“, so Studienautorin Prof. Dr. Patricia J. Conrod, Professorin für Psychiatrie an der Universität von Montreal, zu Medscape. Die Studie wurde in JAMA Psychiatry veröffentlicht [1].

Der Effekt war in der gesamten Kohorte zu beobachten. Das bedeutet, so Conrod, dass alle jungen Cannabis-Konsumenten einem Psychose-Risiko ausgesetzt sind, und nicht nur diejenigen mit einer positiven Familienanamnese für Schizophrenie oder einem biologischen Faktor, der ihre Anfälligkeit gegenüber den Auswirkungen von Cannabis erhöht. „Das Risiko betrifft die ganze Bevölkerung“, sagte sie.

Strenge Kausalitätsprüfung

Zunehmend bewegen sich Gerichtsbarkeiten in ganz Nordamerika (aber auch bei uns) in Richtung Cannabis-Legalisierung. In Kanada soll noch in diesem Jahr ein Marihuana-Gesetz umgesetzt werden. Bei solchen Veränderungen sollte eigentlich geklärt sein, ob der Cannabis-Konsum eine kausale Rolle bei der Entstehung psychiatrischer Erkrankungen wie der Psychose spielt.

Bislang ist die Evidenz bezüglich der Kausalität begrenzt, da Studien typischerweise Psychose-Symptome nur bei einem einzigen Follow-up beurteilen und sich auf analytische Modelle stützen, bei denen es zu einer Verwechslung von intrapersonalen Prozessen mit bereits anfangs vorliegenden interpersonellen Unterschieden kommen kann. Die Kausalität zu bestimmen, ist besonders während der Adoleszenz wichtig, in der typischerweise sowohl Psychosen als auch der Cannabis-Konsum beginnen.

Für die Studie setzten die Forscher Random-Intercept-Cross-Lagged-Panel-Modelle ein (RI-CLPMs), die Conrod als „eine neuartige analytische Strategie“ bezeichnete. RI-CLPMs verwenden einen mehrstufigen Ansatz um zu testen, inwieweit die individuelle Steigerung des Cannabis-Konsums zu einer Zunahme der individuellen Psychose-Symptomatik führt und umgekehrt. Dieser Ansatz liefere die bislang besten Ergebnisse bezüglich eines Kausalzusammenhangs zwischen 2 Outcomes, so Conrod.

Mit der Beurteilung der Kausalität beim Cannabis-Konsum und der psychischen Gesundheit ist es ein wenig wie mit der Henne und dem Ei. Prof. Dr. Patricia J. Conrod

„Mit der Beurteilung der Kausalität beim Cannabis-Konsum und der psychischen Gesundheit ist es ein wenig wie mit der Henne und dem Ei: Neigen Personen mit psychischen Problemen eher dem Cannabis zu, oder beeinflusst der beginnende Cannabis-Konsum die Entwicklung psychotischer Symptome?“, fragte sie.

Die Studie umfasste 3.720 Jugendliche aus der Coventure-Kohorte (Coventure ist ein vom Canadian Institutes of Health Research, CIHR, finanziertes Forschungsprojekt), es umfasst 76% aller 12- bis 13-jährigen Schüler aus 31 Schulen im Großraum Montreal. Die Schüler nahmen über 4 Jahre an einer webbasierten Umfrage teil, bei der sie alljährlich einen Selbstbericht über ihren Cannabis-Konsum und eventuelle psychotische Symptome des vergangenen Jahres ablieferten.

Die Symptome wurden mit dem Adolescent Psychotic-Like Symptom Screener (APSS) beurteilt. Die Häufigkeit des Cannabis-Konsums wurde auf einer Sechs-Punkte-Skala bewertet (0 = nie, 5 = täglich). Die Umfrageergebnisse waren vertraulich, und die Angaben zum Cannabis-Konsum hatten keine Konsequenzen für die Jugendlichen. „Als wir den Jugendlichen diese Dinge garantiert hatten, waren sie beruhigt und gewöhnten sich an die Preisgabe ihrer Konsumgewohnheiten“, sagte Conrod.

Marihuana-Konsum führt zu hoher Prävalenz

Der 1. Bewertungszeitpunkt fand in einem Durchschnittsalter von 12,8 Jahren statt. Zwischen den Bewertungen lagen jeweils 12 Monate. Insgesamt hatten 86,7% bzw. 94,4% der Teilnehmer an mindestens 2 der 4 Termine pünktlich ihre Angaben zur Psychose-Symptomatik bzw. zum Cannabis-Konsum gemacht.

Die Studie zeigte für jeden Zeitpunkt statistisch signifikante positive Cross-Lagged-Korrelationen zwischen Cannabis-Konsum und der Psychose-Symptomatik, die 12 Monate später gemeldet wurde. Die statistischen Signifikanzen lagen zwischen p < 0,001 und p < 0,05.

Tatsächlich war der Cannabis-Konsum in einem bestimmten Jahr prädiktiv für die Zunahme der Psychose-Symptome ein Jahr später, berichtete Conrod. Diese Analyseart sei zuverlässiger als biologische Untersuchungen wie Bluttests. „Biologische Messungen sind für den seltenen und geringen Konsum, der bei jungen Jugendlichen zu beobachten ist, nicht empfindlich genug“, sagte sie.

Cannabis-Präventionsprogramme wichtig

Angesichts der Ergebnisse ruft die Wissenschaftlerin dazu auf, den Zugang Jugendlicher zu evidenzbasierten Cannabis-Präventionsprogrammen zu verbessern. Solche Programme existierten bereits, doch gebe es keine systematischen Bemühungen, die Schüler des Landes an sie heranzuführen, sagte sie. „Es ist äußerst wichtig, dass die Regierungen ihre Bemühungen drastisch verstärken, den Zugang zu evidenzbasierten Cannabis-Präventionsprogrammen zu ermöglichen“, sagte Conrod.

Aktuell sei die Prävalenz des Cannabis-Konsums unter Jugendlichen bereits sehr hoch. Umfragen zufolge konsumieren etwa 30% der älteren Schüler in der kanadischen Provinz Ontario Cannabis. „Ich wünsche mir, dass die Regierungen beginnen, eine neue innovative Politik zu entwickeln, die sich dieses verbreiteten Konsums unter Schülern annimmt“, sagte Conrod. Die Beschränkung des Zugangs für Jugendliche zu Cannabis und die Reduzierung des Angebots könnten das Risiko für schwere psychiatrische Erkrankungen reduzieren, so Conrod weiter.

Ein Kritikpunkt an der Studie war, dass sowohl der Cannabis-Konsum als auch die Psychose-Symptomatik selbst gemeldet und nicht von Ärzten bestätigt waren. Laut der Autoren haben allerdings frühere Arbeiten gezeigt, dass solche Selbstberichte einen positiven Vorhersagewert von bis zu 80% haben.

Einzigartige Untersuchung

Für Prof. Dr. Robert Milin, Kinder- und Jugend- sowie Suchtpsychiater an der Universität von Ottawa, ist die Studie führend unter den großen Längsschnittuntersuchungen zum Cannabis-Konsum bei Jugendlichen, die vom National Institute on Drug Abuse in den USA durchgeführt werden.

Die Studie steht weit vorn, weil sie speziell darauf abzielt, die Psychose-Symptomatik und den Cannabis-Konsum bei Jugendlichen zu bestimmen, und das dazu verwendete Modell stärkt die Studie zusätzlich. Prof. Dr. Robert Milin

„Die Studie steht weit vorn, weil sie speziell darauf abzielt, die Psychose-Symptomatik und den Cannabis-Konsum bei Jugendlichen zu bestimmen, und das dazu verwendete Modell stärkt die Studie zusätzlich“, sagt Milin. Das Modell bediene sich „verfeinerter oder verbesserter Messmethoden zur Prüfung einer Kausalität gegenüber dem, was wir als zeitliche Beziehung bezeichnen“, sagte er.

Die Tatsache, dass die Studie Jugendliche ab 13 Jahren in die Studie einbeziehe, sei einzigartig, sagte Milin. In den meisten ähnlichen Untersuchungen seien die Teilnehmer zu Beginn 15 oder 16 Jahre alt.

Er wies auch darauf hin, dass die Studie psychotische Symptome und nicht psychotische Störungen untersuchte, wenngleich psychotische Symptome natürlich mit dem Risiko für psychotische Erkrankungen assoziiert sind.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

Kommentar

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