Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche als deutsche Leitkultur? Ökonomisches Kalkül statt Solidarität und Menschlichkeit? Umbau oder Abbau des Sozialstaates?
Aus einer Sendung des WDR vom 15.2.2005:
1992 wurde das Vormundschaftsrecht durch das Betreuungsrecht ersetzt, das die Selbständigkeit der Person in den Mittelpunkt und ihr den Betreuer zur Seite stellt. Vollständige Entmündigung und anonyme Verwahrung sind seitdem für mehr als eine Million Menschen in Deutschland Vergangenheit.
Dummerweise sind die Finanzen knapp, und es droht ein Rückschritt in längst vergessene Zeiten.
Die Honorare der Betreuer sollen nämlich nicht mehr nach dem individuell notwendigen Zeitaufwand bemessen, sondern pauschal verrechnet werden. Das bedeutet, dass ein Betreuer nicht wie bisher 30 Menschen umsorgt, sondern wie in den alten Zeiten des Vormundschaftsrechts 70 bis 80 "Fälle" vom Schreibtisch aus verwalten wird. Ab dem zweiten Jahr einer Betreuung sind nur noch 2-3 Stunden im Monat vorgesehen.
Politikermeinungen im Bundestag:
Herr Gerhards (Justizminister NRW): Das Gesetz sei zu aufwendig und zu teuer.
Frau Granold (CDU/CSU-Fraktion): Die dramatische Kostenexplosion mache eine Reform der Vergütungsstruktur erforderlich - gleichzeitig fordert sie "bestmögliche" Betreuungsleistung.
Das Argument mit der "Überalterung der Bevölkerung" zieht übrigens nicht: bei den Betreuungen sind sämtliche Altersgruppen gleichermaßen vertreten (Studie der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen 2004).
Eine "bestmögliche" Betreuung ist unter diesen Umständen kaum noch vorstellbar...