1. Der außerordentliche Deutsche Ärztetag am 24. 10, 2006 wird nur dann als Erfolg in die Geschichte der deutschen Ärzte eingehen, wenn klare Ziele, Maßnahmen und Konsequenzen gezogen werden.
2. Die Fraktionsvorsitzenden des Deutschen Bundestages werden ebenfalls keine großen Neuigkeiten verraten – wir kennen deren Positionen längst. Das alles ist überflüssig wie ein Kropf, solange keine verbindlichen und belastbaren Zusagen zu Änderungsoptionen gemacht werden.
3. Am interessantesten wird die Rolle der CDU/CSU sein, die ihre ordnungspolitische Kraft längst verloren und ohne Not an die SPD abgetreten hat. Frau Schmidt und ihre Mannschaft im BMG haben die Reform zu verantworten und ihr Eingreifen ist für die Zuspitzung in Richtung eines staatlichen Einheitsversicherungssystems verantwortlich.
Montag, 23. Oktober 2006
10 Thesen zum außerordentlichen Ärztetag
Sonntag, 22. Oktober 2006
Änderung der Psychotherapie-Richtlinien
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat im Juni 2006 die Psychotherapie-Richtlinien geändert. Bisher wurde eine alte, wenig differenzierte Beschreibung der Indikationen zur Anwendung von Psychotherapie verwendet. Daher wurde eine redaktionelle Aktualisierung der Beschreibung der Indikationen für die Richtlinien-Psychotherapie für sinnvoll gehalten, die sich jetzt durch die Änderung an der Terminologie des Kapitels F der International Classification of Diseases der WHO (ICD-10) orientiert. Damit ist jedoch weder eine Ausweitung noch eine Eingrenzung der bisher definierten Indikationsbereiche für Psychotherapie verbunden.
"Änderung der Psychotherapie-Richtlinien" vollständig lesen »Schritt für Schritt in die Staatsmedizin
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, ruft zur Teilnahme am Außerordentlichen Deutschen Ärztetag am 24.10.2006 in Berlin auf:
Das Gesundheitswesen wird Schritt für Schritt in die Staatsmedizin getrieben. Wir Ärzte sollen unsere Freiberuflichkeit gegen behördlichen Zwang eintauschen und weiterhin mit begrenzten finanziellen Mitteln unbegrenzte Leistungsversprechen der Politiker einlösen. Die Entwürfe zur Gesundheitsreform lassen erkennen, dass nicht der medizinische Versorgungsbedarf, sondern nach wie vor kurzsichtige Kostenüberlegungen die Reformpläne prägen.
Aus einem ehemals freiheitlichen Gesundheitswesen wird jetzt ein System entwickelt, in dem Patienten und Ärzte entmündigt werden. Es wird zwar mehr Wettbewerb versprochen, aber in Wahrheit der Weg zur Einheitsversicherung geebnet. Die Pläne der Regierung sehen vor, dass der Staat künftig allein per Rechtsverordnung die Beitragssätze festlegt. Die Sparschraube wird noch enger gezogen, um Beitragssteigerungen zu verhindern.
Zugleich soll der sogenannte Gemeinsame Bundesausschuss als Rationierungsbehörde definieren, welche Leistungen die gesetzlich Versicherten künftig nicht mehr erhalten werden.
Das ist kein Weg, auf dem man mehr Freiheit wagt, wie es die Kanzlerin noch kurz nach ihrem Amtsantritt versprochen hatte, das ist der Weg in die Staatsmedizin.
::: Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 41 vom 13.10.2006, Seite A-2669
Kraepelin und die "Psychische Volkshygiene"
Emil Kraepelin, Freuds psychiatrischer Antipode, wurde 1856 geboren. Einerseits ist seine Bedeutung für die Entwicklung der gesamten modernen Psychiatrie seit etwa 1900 unbestritten, andererseits wird er in der medizingeschichtlichen Diskussion auch häufig als typischer Repräsentant der nationalkonservativen Gelehrtenelite der späten Wilhelminischen Epoche bewertet, deren politische Auffassungen nach dem Ersten Weltkrieg den Zusammenbruch der Weimarer Republik und damit auch den Nationalsozialismus vorbereiteten.
::: Emil Kraepelin (1856–1926): Zwischen klinischen Krankheitsbildern und „psychischer Volkshygiene“::: Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 41 vom 13.10.2006, Seite A-2685
Samstag, 21. Oktober 2006
Risiken antipsychotischer Behandlung bei älteren Menschen
US-amerikanische Psychiater prüften im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie (22 890 Patienten), ob sich die Mortalitätsrisiken älterer Patienten bei Therapie mit konventionellen und atypischen Antipsychotika unterscheiden.
Die Behandlung mit konventionellen Antipsychotika geht im Vergleich zu atypischen Antipsychotika mit einer höheren Sterbewahrscheinlichkeit älterer Menschen einher
Unter Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren wurden die Mortalitätsraten in den beiden Gruppen ausgewertet und das Sterblichkeitsrisiko für verschiedene Zeiträume verglichen.
In den ersten 180 Behandlungstagen starben 17,9% der Patienten unter konventionellen und 14,6% unter atypischen Antipsychotika (p < 0,001). Erstere gingen in allen untersuchten Therapiezeiträumen mit einem signifikant höheren adjustierten Sterblichkeitsrisiko einher als die Therapie mit atypischen Antipsychotika.
Der größte Risikoanstieg erfolgte dabei kurz nach Behandlungsbeginn und bei höheren Dosen der konventionellen Antipsychotika. Unter 100 mit konventionellen statt mit atypischen Antipsychotika behandelten Patienten kam es zu durchschnittlich sieben zusätzlichen Sterbefällen.
Nach diesen Ergebnissen geht die Behandlung mit konventionellen Antipsychotika im Vergleich zu atypischen Antipsychotika mit einer höheren Sterbewahrscheinlichkeit älterer Menschen einher. Sie ist somit zumindest unter den Atypika als Gruppe nicht größer, so die Autoren. Sollten sich diese Resultate in weiteren Untersuchungen bestätigen, erscheint eine Empfehlung nicht sinnvoll, ältere Patienten von atypischen auf konventionelle Antipsychotika umzustellen.
:: Wang PS et al.: Risk of death in elderly users of conventional vs. atypical antipsychotic medications.
NEnglJMed 353(2005) 2335-2341
Kulturkrise im Gesundheitswesen
Was die Ärzte, die in der Klinik oder ambulant tätig sind, zum Protest treibt, ist die zunehmende Fremdbestimmung ihrer Aufgabe, Menschen zu helfen. Es geht nicht nur um das Honorar: wussten Sie, dass das so genannte Ärztehonorar, das die gesetzlichen Kassen ambulant gewähren, gerade dazu reicht, die Patienten zu verwalten und die notwendigsten technischen Untersuchungen durchzuführen?
Der Patient zahlt Kassenbeiträge, um verwaltet zu werden, den Arzt zahlt er nicht.
Freitag, 20. Oktober 2006
Nebenwirkungen moderner Neuroleptika
Atypische Neuroleptika können körperliche Nebenwirkungen verursachen. Eine aktuelle Untersuchung gibt einen Überblick über relevante metabolische, endokrinologische, hämatologische und kardiovaskuläre Wirkungen.
Trotz erheblicher Unterschiede in den Nebenwirkungsprofilen, können insbesondere die metabolischen Risiken derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Ein Routine-Monitoring wird vorgeschlagen.
Agelink, M et al: Allgemeinmedizinische Aspekte der Therapie mit Antipsychotika der zweiten Generation
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 42 vom 20.10.2006, Seite A-2802
Arzneimittelregress? Ja bitte!
Im Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-WSG) findet sich ein unscheinbarer Passus, der die Weitergabe von Verordnungsdaten durch den Vertragsarzt stark einschränkt. Die Weitergabe von Verordnungsdaten ist zwar innerhalb der Ärzteschaft umstritten, aber für viele niedergelassene Ärzte eine gängige Praxis.
Der Fachgruppenvergleich ist beliebt, gibt er dem Vertragsarzt doch Auskunft darüber, ob ein Arzneimittelregress droht oder nicht. Das soll nun anders werden. Im Abschnitt 209 des aktuellen GKV-WSG-Entwurfs findet sich eine Änderung des §305a SGB-V.
"Ist gesetzlich nichts anderes bestimmt, dürfen Vertragsärzte Daten über die von ihnen verordneten Arzneimittel nur solchen Stellen übermitteln, die sich verpflichten, die Daten ausschließlich als Nachweis für die in einer Kassenärztlichen Vereinigung oder einer größeren Region insgesamt in Anspruch genommenen Leistungen zu verarbeiten. Eine Verarbeitung dieser Daten mit regionaler Differenzierung innerhalb einer kassenärztlichen Vereinigung, für einzelne Vertragsärzte oder Einrichtungen sowie für einzelne Apotheken ist unzulässig."
Damit werden nicht nur die Pharmaunternehmen gezielter Marketingstrategien beraubt (was noch akzeptabel wäre).
Damit fällt vor allem für den Arzt ein wichtiges Steuerungsinstrument gegen Regresse weg. Das dürfte dem Gesetzgeber ganz recht sein. Denn schlechter informierte Ärzte verordnen vorsichtiger. Mit der Änderung des §305 SGB-V ist also eine echte Doppelverblindung gelungen - ganz im Sinne der Staatsmedizin.
::: Doppelte Verblindung :: doccheck newsletter 06.41
Donnerstag, 5. Oktober 2006
Stellungnahme zur sogenannten Reform der Gesundheitspolitik
Exemplarisch sei auf folgende Punkte des 3. Arbeitsentwurfes des GKV-WSG hingewiesen:
Seite 56/57 zu § 91 neuer Absatz 11: Das BMG kann künftig ohne Zustimmung des Bundesrates alle Einzelheiten regeln zum neu gestalteten Beschlussgremium des " neuen G-BA": Stellung, Funktion, Vergütung, Organisation und Verfahren der Entscheidungen und Zusammenarbeit mit anderen Gremien. Dem kommt besondere Bedeutung zu weil der Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich dieses neuen Gremiums gewaltig erweitert wird.
Er ist künftig zuständig für die Qualitätssicherung (siehe Seite 57 §92 b sowie Seite 70/71 §115b a) bb) neuer Satz 3 sowie Seite 82 §132a sowie §137) (hier lesenswert "der G-BA bestimmt für die vertragsärztliche Versorgung die Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen..." (§137 Absatz 1 Satz 2) und die Behandlungsleitlinien, die bisher immer noch von den Fachverbänden gestaltet wurden. Er beschließt auch über Umfang und Inhalt der Fortbildung der Fachärzte an den Kliniken (§137 Absatz 3) (bisherige Zuständigkeit Ärztekammer).
Für die Umsetzung der Qualitätssicherungsmaßnahmen wird der neue G-BA ein Institut beauftragen (z.B. das von Frau oder Herrn Lauterbach, in dem gerade der frisch zum Professor berufene ehemalige Chef der Barmer Ersatzkasse tätig geworden ist?) (Seite 85/86 §137a), dessen Zuständigkeit sektorenübergreifend sein wird und dem wir alle für die QS erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen haben werden.
Seite 90 §139a regelt den Bezug zu den Standards der evidenzbasierten Medizin, die hierdurch gesichert werden soll. Ich empfehle hierzu die Lektüre des Erfinders der evidenzbasierten Medizin, David Sackett, der vorausschauend vor dem Missbrauch des von ihm kreierten Begriffes gewarnt hat.
Die vorgenannten Regelungen implizieren ("sektorenübergreifend"), dass damit zu rechnen ist, dass auch bei den Anforderungen an operative Einrichtungen die bisherigen Unterschiede für Krankenhäusern und ambulante Einrichtungen entfallen. Die Bedarfsplanung erfolgt nach den Richtlinien des G-BA. Dies allein ist nicht neu aber (siehe §99) auf Seiten der GKV wird die Zuständigkeit zentralisiert.
Den Ergebnissen dieser Planung kommt künftig deshalb mehr Bedeutung zu, weil (Seite 299ff) Honorarverschiebungen von überversorgten in unterversorgte Gebiete erfolgen sollen, da durch die bisherigen Regelungen kein hinreichender Abbau von Überversorgung und "mangels entsprechender Anreize" nicht die Beseitigung oder Abwendung von Unterversorgung erreicht werden konnte. Es kommen also "Preisabschläge" auf die Honorierung der Ärzte in überversorgten Gebieten zu.
Dr. Ludger Wollring
www.essener-resolution.de 4.10.2006
Mittwoch, 4. Oktober 2006
Ein Gesetz gegen den Sachverstand
Der Chef der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK), Herbert Rebscher, hat die Gesundheitspolitik der Bundesregierung scharf attackiert.
"Wir kriegen keines der von der Koalition genannten Probleme gelöst." Man belaste das System noch mal mit neuen Aufgaben und führe "eine Orgie staatlicher Regulierungsebenen" ein.
Es sei noch nie vorgekommen, dass eine Koalition mit wenigen Verhandlern ein Gesetz gegen den gesamten Sachverstand der Republik entwickle.
Facharzt.de 4.10.2006