Another day in paradise: ein Samstagmorgen im MVZ
An einem kalten Samstagmorgen im Dezember betritt Dr. Frank Stein seinen Arbeitsplatz, das MVZ der Zentralkrankenkasse (ZK). Obwohl es erst 7.30 Uhr ist, haben sich schon 10 Patienten in der Wartelounge der Allgemeinmedizin eingefunden.
Stein ist es etwas mulmig, denn er ist heute der einzige Allgemeinmediziner hier. Eigentlich sollten sie mindestens zu zweit arbeiten, aber der neue Kollege Vladi aus Kiew wurde schon nach vier Wochen von niederländischen Headhuntern abgeworben, Kollegin Rita Bleibtreu war letzte Woche ausgefallen - Mutterschutz - und auch die Halbtagsstelle von Karin Schulze (im Vorruhestand) war noch unbesetzt. Ausgerechnet an diesem Wochenende hatte man auch noch Dr. Laubach auf ein Wochenendseminar nach Berlin geschickt: “Rightcoding - auf dem Weg zu Transparenz und Wirtschaftlichkeit”. So muss Stein die Samstagsprechstunde alleine machen und am Sonntag auch noch den KV-Notdienst des MVZ abdecken.
Dr. Stein prüft zunächst zwanzig vorbestellte Rezepte, die nachher beim Einkaufsbummel abgeholt werden sollen. Fünf Bestellungen erfordern nachher eine kurze Rücksprache mit dem Patienten, vor allem versteht Stein nicht, was der achtzigjährige Hypertoniker Klaus M. mit einer 200 Gramm-Tube Neurodermitissalbe will und warum der kleine Erstklässler Erdogan T. Logopädie benötigt. Dann noch ein Rückruf in der Glückaufklinik, die detaillierte Informationen über die Patientin Ilse S. benötigt. Da Stein diese Patientin gar nicht kennt, muss er sich zunächst in die Krankenakte einarbeiten. Doch der Rückruf bleibt nach einer Viertelstunde hin-und herverbinden mit GEMA-freier Wartemusik erfolglos: der Klinikkollege hat einen Notfall, er ruft zurück.
7.50
Dr. Stein ruft Taddäus T. auf, den pensionierten Fahrkartenkontrolleur, der immer Samstags ins MVZ kommt und sich den Blutdruck messen lässt. Der ist in Ordnung, aber T. spricht den Doktor noch auf ein hartnäckiges Ohrgeräusch, wiederkehrende Krämpfe in beiden Unterschenkeln und immer wieder auftretende Nierenschmerzen an. Ausserdem sei er heute so kurzatmig. Stein untersucht ihn gründlich und ordnet ein EKG, einen Urinstatus und ein Ultraschall an, heute noch.
8.05
Im Nachbarsprechzimmer wartet schon Wilhelmine Z., Hausfrau aus dem feinen Stadtteil Schnöseldorf, die um 9 Uhr einen Kosmetiktermin im Haus gegenüber hat. Sie sei so verspannt, sie brauche mal wieder Massagen. Sie ist zum ersten mal im MVZ. Physiotherapien hat Stein im MVZ noch nie verschrieben, er ist angewiesen, die Patienten an die orthopädische Abteilung weiterzuleiten. Kurzer Anruf dort - Überfüllung, heute nicht mehr. Es folgt eine lange und unerfreuliche Diskussion, Wilhelmine Z. rauscht aus dem Sprechzimmer, verliert an der Anmeldung noch ein paar unfreundliche Worte über die mangelnde Hilfsbereitschaft und verlässt die Praxis türenschlagend.
8.20
Inzwischen steht die Floristin Olga K. an der Anmeldung. Seit das MVZ den letzten Hausarztsitz in ihrem Stadtteil aufgekauft hat, holt sie die Rezepte für ihre pflegebedürftige Mutter immer Samstags aus dem MVZ. Sie weist freundlich darauf hin, dass sie doch nur Rezepte brauche, nun warte sie doch schon 50 Minuten. Dr. Stein entgegnet, dass die Sprechstunde erst um acht Uhr begonnen hat, nimmt sie zur Deeskalation aber gleich mit in das Sprechzimmer. Bezüglich der bestellten Rezepte ergeben sich Unstimmigkeiten: werden wirklich drei verschiedene Betablocker eingenommen? Und warum immer Dienstags eine Tablette Marcumar? Stein bemüht sich um Aufklärung, erstellt einen Medikamentenplan und erklärt geduldig. Alles sehr tückisch, da er die Patientin noch nie gesehen hat und die letzten Befunde der Klinik aus dem Jahr 2007 stammen.
8.30
Von der Anmeldung dringt lautes Geschrei und stört Stein bei seinen Überlegungen. Der Rentner Rudi T. hat sich drohend aufgebaut, beschimpft lautstark die Arzthelferin und schlägt dabei rhythmisch mit dem Hochglanzprospekt “MVZ - auch Samstags auf” auf den Anmeldetresen. Man hatte ihn in der Apotheke darauf hingewiesen, dass das Rezept schlampig ausgestellt sei: vor dem Medikament fehle ein Kreuz. Er wollte dem Doktor Gelegenheit geben, diese Schlamperei in Ordnung zu bringen, und jetzt muss er schon eine Stunde warten! Der freiwillig ZK-versicherte Manager Wilfried F. kommt irritiert umherblickend aus dem Sprechzimmer, in dem er auf Dr. Stein gewartet hat. Er ist unangemeldet zum “grossen Checkup” erschienen, da sein Tennispartner gestern abend abgesagt hat. Nun hat er endlich Zeit für den Doktor.
Stein schliesst das Gespräch mit Olga K. schnell ab, unterschreibt die Rezepte, druckt den Verordnungsplan und komplimentiert die Tochter mit sanftem Druck aus dem Sprechzimmer. Er schnappt sich den völlig aufgelösten Rentner, der inzwischen mit hochrotem Kopf um Luft ringt, und bringt ihn in das Sprechzimmer. Den Manager F. bittet er um etwas Geduld, er solle bitte in dem anderen Sprechzimmer warten.
Durch den Lärm ist der Obdachlose Ernst C. aufgewacht, der sich gleich frühmorgens zum Obstfrühstück in die Wartelounge geschlichen hatte und dann in dem komfortablen Lederschwingsessel eingeschlafen war. C. geht zur Toilette und macht sich danach wieder über die Obstschale her.
8.40
Stein hat dem Rentner Rudi T. das Sozialgesetzbuch V, das Wirtschaftlichkeitsgebot, die Rabattverträge, die Richtgrössen und die wechselnde Bedeutung des aut idem - Kreuzes erklärt. T. schimpft jetzt auf die Regierung, die Apotheke und die Krankenkassen, insgesamt scheint er sich etwas beruhigt zu haben.
Inzwischen ist die Arzthelferin endlich dazu gekommen, das EKG bei Taddäus T. zu schreiben. Es fällt ihr eine Unregelmässigkeit auf, ausserdem beträgt der Blutdruck jetzt 210/110.
Sie informiert Stein, der sich ins EKG begibt und Rudi T. um etwas Geduld bittet.
8.45
Dr. Stein hat das EKG befundet und mit einem Vorbefund verglichen, die Veränderung ist harmlos. Er beruhigt den Patienten und verabreicht Nifedipin. Blutdruckkontrolle in zehn Minuten, danach steht ja auch noch das Sono aus.
Er schliesst das Gespräch mit Rudi T. ab und bietet ihm an, die Rabattmedikamente mit den alten Medikamenten zu vergleichen, wenn T. in der Apotheke war.
8.50
Stein wechselt in das andere Sprechzimmer, trifft dort den Manager F. jedoch nicht an: der wird auf der Toilette sein, denkt er sich, und ruft so lange schon einmal den Schüler Maik auf, der gestern nicht in der Schule war und Montag deshalb eine Bescheinigung abgeben muss. Das wird ja wohl schnell gehen.
Mittendrin wird er von der Helferin gerufen: im Wartezimmer gebe es Streit, Stein müsse einschreiten. Schweren Herzens schreibt er dem minderjährigen Schüler die Schulschwänzbescheinigung und erspart sich die Diskussion um die Attestgebühr. Soll der MVZ-Betreiber doch sehen...
8.55
In der Wartelounge hat der Manager F. inzwischen den Hauptmann i.R. Klaus-Dieter M. gewaltsam vom Internet-PC vertrieben, um eine Beschwerde-email an die 24-Stunden-Hotline seiner ZK zu schreiben. Klaus-Dieter M. kommt immer Samstags in das MVZ, um ungestört von seiner Frau in der Internet-Kontaktbörse “Herz an Herz” zu stöbern. Die Privatpatienten Anna-Sophie L. und Patric S., die in der Zwischenzeit zur Grippeimpfung in die Praxis gekommen waren, beobachten die Szene verständnislos. Der Obdachlose Ernst C. ist wieder eingeschlafen, auf seiner Hose prangt deutlich ein feuchter Fleck.
Dr. Stein bittet den Manager F. wieder in das Sprechzimmer und entschuldigt sich bei Hauptmann M., der aber jetzt nicht mehr im MVZ bleiben will.
9.05
Stein hat dem versteinert blickenden Manager F. die Gründe für die Wartezeit dargelegt, trifft aber nicht auf Verständnis. F. schildert seine Anliegen, die er in einem lederbezogenen Ringbuch aufgelistet hat. Er wird von mehreren Handytelefonaten mit der Haushälterin und dem Squashpartner unterbrochen. Dr. Stein erklärt F., warum eine unangemeldete Routineblutentnahme am Samstagvormittag nicht möglich ist. Das gewünschte Sonogramm würde er gerne durchführen. F. brummelt etwas von Kundenunfreundlichkeit und mangelnder Flexibilität und verlangt zum Ausgleich ein EKG und zwei weitere Stempel in das Bonusheftchen.
Um die Diskussion abzukürzen, bringt Stein den kritischen Kunden gleich hinüber zur Sonographiekabine. Leider muss er feststellen, das auf der Sonoliege bereits Taddäus T. liegt, der in Erwartung seiner Untersuchung fest eingeschlafen ist. Dr. Stein bittet F., kurz vor der Kabine zu warten, weckt T. und beginnt mit der Untersuchung.
9.15
Die Untersuchung ist abgeschlossen, der Patient entlassen, der Manager F. kann sonographiert werden.
9.25
Eine kleine Nierenzyste links, alles in Ordnung. F. sieht weiteren Gesprächsbedarf, auch über orthomolekulare Ernährung, “wo ich schon mal hier bin”. Stein bittet ihn noch einmal in die Wartelounge, dies bringt ihm einen verachtungsvollen Seitenblick des Patienten ein.
An der Anmeldung liegen dreissig weitere angeforderte Rezepte. Zehn Abholer warten in der Lounge, in der es inzwischen eng wird. Ach ja, es ist Dezember und die Zuzahlungsbefreiungen laufen ab. Stein wird die Rezepte besonders kritisch prüfen, den Ärger mit der Controllingabteilung will er nicht noch einmal riskieren. Er zieht sich mit den Rezepten in das Sprechzimmer zurück.
9.35
Dr. Stein bringt die unterschriebenen Rezepte an die Anmeldung. Zwei muss er selbst aushändigen, damit die Quartalspauschale ausgelöst wird. In der Wartelounge kassiert er einen giftigen Blick von Manager F., der gerade mit der Hotline telefoniert. Dem Obdachlosen Ernst C. wird es zu unruhig, auch ist mit der Obstschüssel nichts mehr los, er verlässt die Lounge. Die Privatpatienten L. und S. blicken Dr. Stein erwartungsvoll an, er nimmt das sympathische Pärchen gleich mit in das Sprechzimmer. An der Anmeldung wird er fröhlich von der zehnköpfigen Familie T. begrüsst, die mit riesigen Einkaufstüten bewaffnet ist. Sie wollen das bestellte Logopädierezept für den kleinen Erdogan abholen. Weil die Lounge keine weiteren zehn Wartenden mehr verkraftet, lässt er Stühle in das zweite Sprechzimmer bringen und bittet um Geduld.
9.45
Die Privatpatienten Anna-Sophie L. Und Patric S. sind nun gegen Grippe geimpft und haben da nur noch mal eine kurze Frage: sie haben gestern eine Last-Minute-Reise in den Kongo gebucht, ob da irgendwas zu bedenken sei? Am Mittwoch soll es losgehen.
Während Stein die Beratungssoftware “Pest und Cholera 2008" startet, tritt die Arzthelferin ein und bittet Stein dringend an die Anmeldung.
Dort stehen zwei Herren, die sich als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes vorstellen. Eine Patientin des MVZ, Wilhelmine Z., habe im gegenüberliegenden Kosmetikinstitut heftig erbrochen und sei in das Krankenhaus eingeliefert worden. Sie habe berichtet, im MVZ Weintrauben aus einer Obstschüssel gegessen zu haben. Man wolle das Ganze einmal in Augenschein nehmen.
Die Helferin schafft die Obstschüssel herbei. In einem undefinierbaren Sud dümpeln einzelne Weintrauben um einen angebissenen Apfel, deutlich sind fettige Fingerabdrücke am Schüsselrand zu sehen. Ernst C. hat ganze Arbeit geleistet. Die Kontrolleure beschlagnahmen die Schüssel und kündigen eine mikrobiologische Untersuchung an.
10.20
Die Beratung für die Last-Minute Kongoreise ist geschafft. Dr. Stein wendet sich der Familie T. im Nachbarsprechzimmer zu, die nicht mehr ganz so freundlich wirkt. Warum der kleine Erdogan Ergotherapie brauche? Lehrerin gesagt, weil nicht gut deutsch, Doktor aufschreiben musse. Stein resigniert, er vereinbart für Erdogan einen Termin beim MVZ-Neurologen und komplimentiert die Familie hinaus.
An der Anmeldung wartet ungeduldig der arbeitslose Gebäudereiniger Thomas H. Er warte jetzt schon seit halb acht, er benötigt eigentlich gestern schon eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für das Jobcenter und hat es während der Woche nicht geschafft, einen Arzt aufzusuchen. Wegen der nächtlichen Liveübertragungen der Billiard-WM konnte er nicht so früh aufstehen. Jetzt muss er dringend weiter zu einer Verabredung. Stein kann jetzt keinen weiteren Ärger gebrauchen, er bittet H., im Sprechzimmer noch einen Moment zu warten.
10.40
In eisiger Atmosphäre hat Stein den Manager F. Im zweiten Sprechzimmer über Orthomolekularernährung, den ZK-Premium-Hausarztvertrag und über einen fünfseitigen Ausdruck einer Website zum Thema Stress beraten. Was denn nun mit dem versprochenen EKG sei, fragt der Patient spitz.
10.45
Dr. Stein hat das EKG veranlasst, den arbeitslosen Gebäudereiniger H. bis zum Sanktnimmerleinstag krankgeschrieben und hat noch einmal versucht, das Glückaufkrankenhaus wegen der dringenden Rückfrage zu erreichen, ist aber über die Warteschleife (“Kleine Nachtmusik” im Synthisound) nicht hinausgekommen.
Inzwischen sind zehn weitere unangemeldete Patienten eingetroffen, zum Teil mit grossen Einkaufstüten bepackt. Fünf weitere Patienten hat die HNO-Abteilung geschickt. Der dort diensthabenden Praxismanagerin Hiltrud K. war in der EDV aufgefallen, dass diese Patienten in diesem Quartal noch keine Allgemeinmedizinpauschale ausgelöst haben und sie will nicht schon wieder Ärger mit der Controllingabteilung riskieren.
12.45
Dr. Stein hat in schnellem Wechsel zwischen den Sprechzimmern zwanzig weitere Patienten behandelt, vierzig Rezepte geprüft und unterschrieben. Nur noch fünf Patienten sind in der Wartelounge. Jetzt wäre es Zeit für eine Tasse Kaffee. Stein geht erwartungsvoll an die Anmeldung und schaut der Helferin mit einem unwiderstehlichen Dackelblick in die Augen. Der Rentner Rudi K. betritt die Szene, bewaffnet mit einer prall gefüllten Plastiktüte, auf der das Logo der Mc.Pille-24 Stunden-Apotheke prangt. Er beginnt, auf dem Anmeldungstresen Gebirge von Tablettenschachteln aufzubauen. “Herr Doktor, Sie hatten doch heute morgen gesagt...”. Jetzt setzt die Helferin ihren Dackelblick auf und Stein hilft dem Patienten, die Medikamentenberge in das Sprechzimmer zu schaffen.
Ein weiterer Patient aus der Wartelounge betritt die Anmeldung und fragt nach der versprochenen Obstschüssel.
13.05
Das Sortieren der Medikamente schreitet gut voran. Etwas Kopfzerbrechen bereitet Stein das gleichzeitige Vorhandensein einer Schachtel Crovo 20 mg und Pennalapril 20 mg - beide noch ungeöffnet. Beide mit dem gleichen Wirkstoff, Crovo vom MVZ nie verschrieben. Rabattmedikament wäre Enahexhex 20 mg gewesen. Probleme bereitet auch noch die offenbar gleichzeitige Einnahme von HCTkratio, HCT Schladerer und HCTmärz. Aber der Blutdruck ist immerhin gut. Stein erstellt einen Einnahmeplan, markiert die Packungen mit Zahlen (gleiche Zahl = gleicher Wirkstoff) und verabschiedet den Rentner.
An der Anmeldung ist inzwischen der Pensionär Paul K. eingetroffen, der eine 200 Gramm-Tube einer Neurodermitissalbe bestellt hatte. Diese Salbe bekomme sein Enkel, auch ihm habe sie gut geholfen, wenn er vom Rasieren Pickel bekommen habe. Es entwickelt sich eine fünfminutige Diskussion, in der schwere Geschütze aufgefahren werden: Stalingrad, die Kriegsgefangenschaft, der Wiederaufbau. Stein resigniert und lässt einen Termin in der MVZ-Dermatologie vereinbaren. Der unzufriedene K. wird den Terminzettel später im Mülleimer des benachbarten Schnellrestaurants “Mordsee” entsorgen und niemals zu dem Termin erscheinen.
13.40
Das Wartezimmer ist leer, der Feierabend naht (14 Uhr). Dr. Stein geht zur Anmeldung. Ob wohl noch ein Tässchen Kaffee...? Weitere fünf Patienten betreten die Anmeldung, darunter die privatversicherte Klavierkünstlerin Marie Z.-K., die gestern abend in der Sendung “Viehsite” über die Gefahren des zu spät diagnostizierten Karpaltunnelsyndroms informiert wurde und sich nun sehr ängstigt sowie die Patientin Heidelind J., die sich gestern einen Ausdruck ihrer Laborbefunde geholt hat und einige Ausrufezeichen vor den Messwerten entdeckt hat. Und das, obwohl ihr telefonisch versichert wurde, dass alles in Ordnung sei. Nun ist sie misstrauisch und sieht erheblichen Erklärungsbedarf.
Gleichzeitig ruft das Glückaufkrankenhaus an: warum Dr. Stein nicht zurückgerufen habe. Man brauche wichtige Informationen. Und die 24 Stunden-Hotline der ZK bittet um Rückruf: ein Patient habe sich über mangelnde Flexibilität im MVZ beschwert.
13.50
Die Nachbarin der verwirrten Rentnerin Else K.ruft an. Else K. war vor zwei Wochen mit einer Bronchopneumonie im MVZ gestrandet und in die Klinik eingeliefert worden. Vor zehn Minuten wurde sie mit einem Liegendtransport nach Hause entlassen. Nun braucht sie dringend Rezepte, auch die häusliche Pflege muss noch organisiert werden.
Else K. lebt in einer Einzimmerwohnung im zwölften Stock im Plattenbaustadtteil Kaninchenberg, etwa zehn Kilometer vom MVZ entfernt. Bitte bei Frau Schulz im siebzehnten Stock klingeln, die hat den Schlüssel und ist noch bis 15 Uhr da. Es muss unbedingt noch jemand kommen, Else K. habe auch noch so eine seltsame Nadel im Arm und am Gesäss ein eiterndes Geschwür. Angehörige habe sie keine.
Dr. Stein lehnt sich in seinem ergonomischen Hydraulikstuhl zurück, legt die Füsse auf den Designschreibtisch und schliesst die Augen...
(Mit freundlicher Genehmigung von Dr. med. C. Scholber)