Der öffentliche Schlagabtausch um die von einigen Krankenkassen demnächst zu erhebenden Zusatzbeiträge nimmt mittlerweile groteske Formen an:
Gesundheitsminister Rösler (FDP) hält Zusatzbeiträge in der jetzigen Form für unsozial, während Spahn (CDU) das Gegenteil behauptet, Seehofer (CSU) jedoch die Zusatzbeiträge als „nicht akzeptabel“ bezeichnet. Die Grünen machen die Bundeskanzlerin, Frau Merkel (CDU), für diese Zusatzbeiträge verantwortlich, die ihrerseits schnell die Krankenkassen rügt und das Kartellamt einschaltet. Und Steinmeier (SPD) versucht sich völlig aus der Verantwortung zu stehlen und die Schuld flugs Rösler in die Schuhe zu schieben.
Wie nennt man so etwas? Scheinheilig? Heuchlerisch? Desinformation? Wer hat den Gesundheitsfonds eigentlich damals erfunden? War das nicht die große Koalition aus SPD und CDU? Nein, es muss Rösler gewesen sein, denn, so Frau Nahles (SPD): "Zusatzbeiträge hat es bei Ulla Schmidt nicht gegeben. Das sind die Zusatzbeiträge von Herrn Rösler." Alles klar.
Die machen ihren Job derzeit nicht besonders gut. Wenn die so weiter machen, kriegt unser Gesundheitssystem wirklich noch einen Kollaps. Der soziale Frieden ist gefährdet, es droht sogar eine Rentner-Revolte, falls die Renten gepfändet werden sollten.
Und wer hat nun die ganze Misere zu verantworten? Die Hausärzte in Nordrhein mit ihren Selektionsverträgen (die im übrigen auch politisch gewollt sind, womit sich der Kreis wieder schließt).
Affentheater.
Sonntag, 31. Januar 2010
Ich kann es nicht. Wählt mich ab. (13)
Samstag, 30. Januar 2010
Ich kann es nicht. Wählt mich ab. (12)
Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Dreyer (SPD) will keine Senkung der Mehrwertsteuer für Medikamente. Sie möchte lieber "bei den Strukturen schauen, bei den Kassen", "die Ausgabenseite des Gesundheitswesens wieder einigermaßen in den Griff bekommen".
Zumal seit Monaten klar sei, dass wir gerade im Arzneimittelbereich erhebliche Ausgabensteigerungen hätten, und da dürfe man natürlich nicht zuschauen als Bundesgesundheitsminister.
Richtig, Frau Dreyer. Wenden Sie sich an Ihre Parteigenossin, die Frau Schmidt. Die hatte genügend Zeit für entsprechende Taten.
Wie begründen Sie eigentlich ihren Wunsch, die Mehrwertsteuer für Medikamente lieber nicht zu senken? Andere sehen das nämlich ganz anders:
Sozialverband will Ausgleich für Kassen-Zusatzbeiträge - sueddeutsche.de
... fordert der Sozialverband VdK eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Medikamente. 2,4 Milliarden Euro ließen sich allein durch eine verringerte Mehrwertsteuer von 7 Prozent sparen ...
Neue Zusatzbeiträge: DAK bittet Versicherte ab Februar zur Kasse - SPIEGEL ONLINE
Würde die Mehrwertsteuer analog zur umstrittenen Absenkung der Steuer in der Hotelbranche gesenkt, brächte dies 2,4 Milliarden Euro, sagte sie (Pfeiffer, SpiBu).
PHOENIX Pressemitteilung: Krankenkassen-Verband kritisiert Preisgestaltung für Medikamente
... auch bei Schnittblumen und Hundefutter ist es so, dass nur die halbe Mehrwertsteuer erhoben wird (nochmal Pfeiffer).
Lang (ein Ersatzkassenverbandschef) fordert, (...) die Mehrwertsteuer auf Medikamente von derzeit 19 Prozent ähnlich wie bei Hotelübernachtungen zu senken. Dadurch könnten die Ausgaben der gesetzlichen Kassen um 4,5 Milliarden Euro gesenkt werden.
Forschende Pharmaunternehmen sehen Arzneimittelpreise stabil
(Forschende Arzneimittelhersteller geben) zu bedenken, dass Medikamente in Deutschland dem vollen Mehrwertsteuersatz unterliegen, während in fast allen anderen europäischen Staaten eine ermäßigte oder gar keine Mehrwertsteuer auf Medikamente erhoben wird.
APOTHEKE ADHOC -- Bund soll Mehrwertsteuer tragen
... sollte für diesen Bereich der Gesundheitsversorgung zumindest nur der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gelten (Frau Bunge, Die Linke).
FREIES WORT | Ausgaben für Arzneimittel in Thüringen explodieren
(Die Techniker Krankenkasse) bezeichnete dies als absurde Situation und verlangte erneut die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneien auf sieben Prozent.
Sogar Ihre eigenen Parteigenossen, Frau Dreyer, wollen die Mehrwertsteuer auf Medikamente senken:
openPR.de - „Kleine Kopfpauschale“ ist ungerecht und unsozial - SPD Hessen-Süd kritisiert Zuzahlungen von Krankenkassen
Ein weiteres Mittel die Kosten zu senken, sei die Senkung der Mehrwertsteuer für Medikamente von 19 auf 7 Prozent.
Also gut. Frau Dreyer kann zwar ihren Wunsch irgendwie nicht näher erläutern. Die anderen machen es aber auch nicht viel besser: immerhin schwanken die genannten Zahlen zwischen 2,4 und 4,5 Milliarden Euro. Keine besonders valide Schätzung...
Das Thema wird uns wohl noch eine Weile erheitern.
Donnerstag, 28. Januar 2010
Neue Sexualtherapeutische Ambulanz bietet fundierte Hilfe
- Edit 30.8.2018: Nach Auskunft der Öffentlichkeitsbeauftragten des LVR-Klinikums Essen besteht das Angebot mittlerweile nicht mehr.
LVR-Klinikum Essen baut Hilfsangebot aus/ Ambulanz richtet sich an Frauen und Männer im Erwachsenenalter Köln.
Essen. 27.01.2010. - Das Thema Sexualität wird in den Medien gerne breit getreten, ist Teil des öffentlichen Raumes geworden. Jenseits dieser Zurschaustellung erfahren Menschen mit sexuellen Störungen einen hohen Leidensdruck. Das LVR-Klinikum Essen bietet ab sofort diesen Menschen fundierte Hilfe in einer Sexualtherapeutischen Ambulanz. Das neue Angebot unter der Leitung des Psychiaters und Sexualtherapeuten Dr. Jörg Signerski-Krieger richtet sich an Frauen und Männer aller Altersgruppen (Erwachsene) als Einzelperson oder auch als Paar.
Lustlosigkeit, Orgasmusstörungen, sexuelle Traumatisierung oder Beeinträchtigungen, die mit organischen Erkrankungen oder Verletzungen in Zusammenhang stehen - die Bandbreite der Störungen ist groß. Einige Studien gehen davon aus, dass ein Drittel der Bevölkerung unter sexuellen Schwierigkeiten leidet. Dabei handelt es sich entgegen der landläufigen Meinung nicht nur um ein Problem älterer Männer. "Unsere Patienten sind sowohl männlich als auch weiblich, ab einem Alter von 20 Jahren", klärt Dr. Jörg Signerski-Krieger auf.
Auslöser für eine sexuelle Störung können zum Beispiel eine komplizierte Geburt und körperliche Veränderungen sein, die fortan die gemeinsame Sexualität eines Ehepaares belasten oder unmöglich machen. "Dabei geht es nicht nur um Sex", weiß Dr. Jörg Signerski-Krieger zu berichten. "Die meisten Menschen ziehen sich bei einer solchen Problematik auch emotional und sozial aus ihrer Partnerschaft zurück." Hilfe erfahren Paare in der Sexualtherapeutischen Ambulanz. Im konkreten Fall wurde mit dem Ehepaar ein Beratungsgespräch geführt und eine erste Diagnose gestellt. Dr. Signerski-Krieger: "In einigen Fällen reicht ein erstes Gespräch sogar schon aus, um gegenseitiges Verständnis zu wecken und um auszudrücken, was man sich trotz langjähriger Beziehung dem Partner nicht zu sagen traut."
Die Sexualtherapeutische Ambulanz behandelt keine Sexualstraftäter oder Menschen mit einer Pädophilie.
Informationen zur Ambulanz und Terminvergabe gibt es über die Homepage des LVR-Klinikum Essen.
Samstag, 23. Januar 2010
Auch das Regelleistungsvolumen im ersten Quartal
hat nur für 15 Arbeitstage gereicht:
Also kann ich jetzt bis April Urlaub machen
Montag, 18. Januar 2010
Die große Nachfragemacht der Patienten
Gesundheitsminister Rösler setzt sich für die Einführung der Kostenerstattung an Stelle des maroden Sachleistungssystems ein:
"Wir müssen stärker wegkommen vom Prinzip der Sachleistungen und hinkommen zur Kostenerstattung", sagte Rösler auf dem Neujahrsempfang der FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag.
Viel Glück bei der Umsetzung! Dann ist auch die Rationierungsdebatte vom Tisch.
Sonntag, 17. Januar 2010
Schade, Herr Sawicki
Dienstwagenaffäre belastet Arzneimittelprüfer - FAZ.NET
Es geht um zu große Audi-Dienstwagen, es geht um dienstlich abgerechnetes Rasenmäherbenzin, und es geht um innerdeutsche Business-Class-Flüge: 74 Seiten ist der Bericht über mögliche Abrechnungsfehler im Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) und dessen Chef Peter Sawicki lang. Erstellt hat ihn die BDO Deutsche Warentreuhand. Allein der finanzielle Schaden bei den Dienstwagen beläuft sich demnach rechnerisch auf mehr als 40.000 Euro – letztlich finanziert von den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung.
Wo bleibt eigentlich das Geld der Versicherten? Schade, Herr Sawicki. Dabei wäre ein unabhängiges Institut zur Bewertung von Therapien doch so wichtig, um der Rationierungsdebatte begegnen zu können. Aber - daraus einen Selbstbedienungsladen zu machen? Uncool.
Die unheimliche Rationierungsdebatte
In der FAZ klagte Ärztekammerpräsident Hoppe heute: "Im deutschen Gesundheitswesen wird heimlich rationiert, weil nicht genügend Geld zur Verfügung steht, um allen Menschen die optimale Therapie zu verschaffen". Die Betonung liegt auf heimlich, denn der Patient erfährt es ja nicht.
Frau Bunge, Diplom-Lehrerin Marxismus-Leninismus, möchte lieber nicht über Rationierungen von Medikamenten und medizinischen Leistungen nachdenken. Minister Rösler ließ über eine Ministeriumssprecherin wissen, eine solche Debatte oder gar Entscheidung über die Priorisierung in der Arzneimittelversorgung sei nicht Aufgabe des Ministeriums. Und die Krankenkassen wollen, dass auch künftig alles, was medizinisch notwendig ist, finanziert wird (fragt sich nur, was sie für notwendig halten und wer das letztlich entscheidet).
Warum ist ihnen das Thema so peinlich? Weil sie sich gern weiter hinter pseudoharmonischen Begrifflichkeiten wie "Rationalisierung", "Hebung von Effizienzreserven", "Gerechtigkeit" verstecken möchten? Weil die unausweichliche Konfrontation mit der Wirklichkeit schmerzhafte Verluste an Wählerstimmen nach sich ziehen könnte?
Eine heimliche, verdeckte Rationierung, die sich im wesentlichen aus Budgetfolgen nährt und sowohl die Entscheidungskriterien (Zufallsentscheidungen, Gleichheitsforderungen, Dringlichkeit, prognostische Erwägungen, Wartezeit, sozialer und familiärer Status oder Nützlichkeits-Überlegungen), die Verantwortungsebenen, als auch den Rationierungstatbestand als solchen intransparent lässt, muss einem gesellschaftlichen Diskurs weichen. Verdeckte Rationierung, über das Instrument der barmherzigen Lüge (konsentierte Verteilungsmechanismen erfolgen heimlich, die Leistungsbegrenzungen werden mit vorgeschobenen Fakten, wie z. B. Risiko, Wirkungslosigkeit usw. begründet) kaschiert, kann nur auf den ersten Blick sozial verträglich sein.
Bürokratisch-korporatistische Rationierung im Deutschen Gesundheitswesen - System der „barmherzigen Lüge“?
Dann lügt euch mal schön weiter in die Tasche.
Samstag, 16. Januar 2010
Verworren
Gesundheitsminister im Interview: Rösler will Änderungen bei Praxisgebühr | RP ONLINE
Gleichzeitig müssen wir verhindern, dass es sich finanziell lohnt, mehr kranke Patienten zu haben. (...) Aber wir nehmen das Gefühl von Kassenpatienten, zu lange auf einen Termin warten zu müssen, sehr ernst.
Einerseits soll also die Behandlung kranker Kassenpatienten verhindert werden, während andererseits die gefühlten Wartezeiten auf eben diese verhinderte Behandlung verkürzt werden sollen? Was soll das?
Ich sehe gerade: das betrifft nur Hausärzte. Und die Lösung heißt: Hausarztverträge mit Wartezeitgarantie. Da bin ich aber erleichtert. Das betrifft mich gar nicht. Deshalb zerbreche ich mir auch nicht weiter den Kopf über dieses verworrene Zeug.
Unterbringung, Zwangsbehandlung und die UN-Behindertenrechtskonvention
DGPPN: Unterbringung und Zwangsbehandlung psychisch Kranker ist rechtskonform
Welche Auswirkungen hat die UN-Behindertenrechtskonvention auf die Unterbringung und Zwangsbehandlung psychisch Kranker in Deutschland? Zur Beantwortung der Frage hat die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) ein Gutachten bei Prof. Dr. Dirk Olzen vom Institut für Rechtsfragen der Medizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Auftrag gegeben. Die Behindertenrechtskonvention habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Unterbringung und Zwangsbehandlung psychisch Kranker, so das Fazit des Gutachters. Der unmittelbar geltende Art. 12 Abs. 2 BRK würde sich mit den Vorschriften des Betreuungsrechts und den länderspezifischen Regelungen, z.B. dem PsychKG NRW, vereinbaren lassen.
Dienstag, 12. Januar 2010
Lobbyisten kommen und gehen
Aktuell wird Gesundheitsminister Rösler typische Klientelpolitik vorgeworfen, mit der er die "Privatisierung der GKV" einzuleiten gedenke.
Dabei löst der von Rösler ernannte PKV-Mensch doch nur einen anderen Lobbyisten ab: Herrn Knieps. Der saß jahrelang als AOK-Lobbyist im Ministerium, ohne, dass sich jemand merklich darüber echauffiert hätte.
So what?