Am Ende des Jahres 1 nach dem Protestjahr kann festgestellt werden:
Es gab 2006 vier große Protestveranstaltungen der niedergelassenen Ärzte in Berlin mit fünfstelligen Teilnehmerzahlen.
Die niedergelassenen Ärzte folgten den Protestaufrufen etlicher Ärzteverbände, die sich erstaunlicherweise hierauf einigen konnten.
Die Ärzteverbände konnten sich nicht einigen, welche präzisen Forderungen an die Politiker gestellt werden müssen.
Die unklaren Drohungen der großen Verbände wurden nach Inkrafttreten der Gesetzesänderungen nicht mal ansatzweise in die Tat umgesetzt.
Die Politiker erfahren, dass die Mehrzahl der niedergelassenen Ärzte mit den Gesetzesänderungen offenbar gut leben kann.
Die niedergelassenen Kollegen erleben, dass ihr Protest politisch ungehört und wirkungslos blieb.
Sowie:
Der Leidensdruck der Mehrheit der niedergelassenen Ärzte ist nicht ausreichend groß, um weitergehende Protestmaßnahmen durchzuführen.
Die individuellen Gegenstrategien der Ärzte (Auswandern, Praxisverkauf, IV-Verträge, IgeL) stehen als Maßnahmen im Vordergrund.
Bis zur nachhaltigen politischen Veränderung muss in größeren Zeiträumen gerechnet werden.
Eine Einigung der bislang systemstützenden Verbände ist irrelevant, solange es zu keiner Abkehr vom System kommt und entsprechende politische Forderungen nicht gestellt werden.
Die personelle Ausstattung der diversen Verbände ist desolat und hat keine aktivierbaren Reserven.
Die Politiker sehen keine Veranlassung, vom eingeschlagenen Weg abzugehen, solange von ärztlicher Seite keine klare politische Strategie zu erkennen ist.
Trotzdem:
Die ärztliche Versorgung der Bevölkerung verschlechtert sich weiter, in einigen Regionen der Bundesrepublik besteht Ärztemangel.
Die personelle Ausstattung der Krankenhäuser wird zunehmend reduziert, die stationär tätigen Ärzte bleiben unterbezahlt.
Das AVWG sorgt für eine teilweise bedrohliche Verschlechterung der Pharmakotherapie, die Verordnungspraxis versinkt im Chaos.
Regresse gegenüber niedergelassenen Ärzten induzieren Insolvenzen, die sich erst nach etlichen Monaten praktisch auswirken.
Die Budgetverteilung wird zusehends unhandhabbarer, Körperschaften können die selbstgeschaffenen Instrumente nicht mehr umsetzen.
Die Anzahl unterschiedlicher Selektivverträge ist vom einzelnen Arzt nicht mehr übersehbar, die Verrechnung mit der Gesamtvergütung durch die Krankenkassen ist nicht mehr kontrollierbar.
Die bürokratischen Folgen durch die jüngsten gesetzlichen Änderungen verschlingen Milliarden auf Seiten der Ärzte als auch der Krankenkassen.
Daraus folgt:
Wir müssen uns auf eine längere Phase politischer Aktivität einstellen, die zunächst ohne spürbare Erfolge bleibt.
Die Krankenkassen haben keine Möglichkeit, die vorhandenen finanziellen Mittel zu vermehren. Systemerhaltende Kooperation und Systemablehnung sind ein unvereinbarer Widerspruch.
Jegliche Sonderverträge, die den teilnehmenden Kollegen mehr Honorar versprechen, gehen auf Kosten anderer Teile des GKV-Systems.
Wir können nicht mehr darauf hoffen, dass andere (Patienten, Parteien, Politiker) für uns die Kohlen aus dem Feuer holen.
Wir dürfen nicht hoffen, dass andere Verbände einen verständlichen Forderungskatalog aufstellen. Das müssen wir selbst tun:
Sofortmaßnahmen:
Einstellung von 30 Mrd. Euro in den Haushalt notfalls durch Nettokreditaufnahme zum Aufrechterhalten der medizinischen Versorgung in Deutschland (spätere Verrechnung mit Länderzahlungen).
Davon 15 Mrd. Euro zur Vornahme der notwendigsten Erhaltungsinvestitionen in den Krankenhäusern sowie zur Auszahlung der aufgelaufenen unbezahlt geleisteten Überstunden seit Januar 2006 und Anpassung der aktuellen Gehälter an die Tarifvertragsvereinbarungen.
15 Mrd. zur Auszahlung der nicht ausgezahlten Differenz zwischen Punktwert 5,11 Eurocent und ausgezahltem Punktwert seit Januar 2006 an die niedergelassenen Ärzte.
Sofortige Einstellung aller Regressverfahren gegenüber den niedergelassenen Ärzten; Auflösung der Prüfungsausschüsse.
Sofortige Ablösung aller hauptamtlich tätigen KV und KZV-Vorstände unter Einfrieren aller Zahlungen; Einsetzen von Staatskommissaren zur Abwicklung der Auszahlungen und Abwicklung dieser Körperschaften.
Sofortige Ablösung aller hauptamtlich tätigen Krankenkassenvorstände unter Einfrieren aller Zahlungen; Einsetzen von Staatskommissaren zur Abwicklung der Auszahlungen und Abwicklung dieser Körperschaften.
Auflösung aller BMG- und SGB V-induzierten Einrichtungen (wie bspw. IQWIG, G-BA usf.) Sofortige Beendigung des RSA.
Feststellung, dass zum Beginn des kommenden Jahres die Abrechnung mit dem Patienten direkt zu erfolgen hat unter der Maßgabe, dass für 12 Monate der GOÄ-Einfachsatz gilt und die Krankenkassen bis zu ihrer Abwicklung die Rechnungen unbürokratisch ohne Verzögerungen erstatten.
Kurzfristige Maßnahmen
Aufforderung an die europäischen privaten Krankenversicherungen, bis zum Ende des kommenden Jahres einen (echten) Basistarif mit Kontrahierungszwang für die Bevölkerung einzurichten, der die großen gesundheitlichen Risiken absichert.
Übertragbarkeit der Altersrückstellungen bei den privaten Krankenversicherungen herstellen.
Privatisierung aller Kliniken vorantreiben. Abkehr von der dualen Finanzierung durch Umsatzsteuerbefreiung aller Kliniken und der Umsatzsteuerbefreiung von zulassungspflichtigen Medikamenten ermöglichen.
Aufforderung an die BÄK zur Entwicklung einer GOÄ auf wissenschaftlich-medizinischer und betriebswirtschaftlicher Grundlage für die niedergelassenen Ärzte bis zum Ende des kommenden Jahres.
Aufforderung an die BÄK zur Entwicklung einer Gebührenordnung auf wissenschaftlich-medizinischer und betriebswirtschaftlicher Grundlage für die stationäre Behandlung bis zum Ende des kommenden Jahres.
Schaffung der Möglichkeit und Verpflichtung für alle gesetzlich Krankenversicherten, bis zum Ende des kommenden Jahres in eine private Krankenversicherung zu wechseln.
Umwandlung des Arbeitgeberanteiles der GKV als Lohnbestandteil für alle Arbeitnehmer; Steuerbefreiung für den Arbeitnehmer für nachgewiesene Krankenversicherungsprämien.
Breite Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung zur Akzeptanz der Umstellung bei der Krankenversicherung; Errichtung von Beratungsstellen.
Mittelfristige Maßnahmen
Verpflichtung an die Bundesagentur für Arbeit, den Basistarif für die ALG I- und ALG II-Empfänger an die angegebene Krankenversicherung zu überweisen.
Verordnung der entwickelten GOÄ unter der Maßgabe, dass diese gilt, wenn keine abweichende Honorarvereinbarung zwischen Arzt und Patient getroffen wurde. Patient-Arzt-Vereinbarung hat Vorrang vor GOÄ.
Endgültige Auflösung aller gesetzlichen Krankenkassen und des Bundesversicherungsamtes. Anschließende Überwachung des Geschehens durch das Bundeskartellamt.
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