Gibt es nicht mehr. Das heisst jetzt: nichterholsamer Schlaf! Gleichwohl leiden etwa 25% der Bevölkerung zumindest vorübergehend daran.
In psychiatrischen Praxen wird häufig über Ein- und Durchschlafstörungen oder über frühmorgendliches Erwachen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Tagesbefindlichkeit geklagt, denn bei den meisten psychischen Erkrankungen ist der Nachtschlaf gestört. Umgekehrt können Schlafstörungen zu psychischen Erkrankungen (Depression, Sucht) führen.
Die Leitlinie „Nichterholsamer Schlaf“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin soll helfen, den Umgang mit schlafgestörten Patienten zu erleichtern.
Am Anfang steht die Aufklärung über Schlaf-Wach-Rhythmik, Schlafbedürfnis und Schlaffähigkeit.
Das Bedürfnis nach Schlaf und die Schlaffähigkeit etwa variieren bei Gesunden zwischen 4 und 10 Stunden. Mit zunehmendem Alter werden die Tiefschlafanteile seltener, der Schlaf wird als leichter und störanfälliger empfunden. Manchmal besteht die unrealistische Erwartung, mit 80 Jahren noch 8 Stunden durchgehend und ungestört schlafen zu wollen. Solche und ähnliche Annahmen über "richtigen" Schlaf müssen korrigiert werden.
Störfaktoren:
Anspannung
Der Schlaf wird von körperlichen und von seelischen Faktoren beeinflusst. Zentrale Bedeutung hat eine erhöhte Anspannung (isoliert, emotional, kognitiv, physiologisch), bei der man "nicht abschalten" kann und sich oft mit negativ getönten Gedanken plagt (an Tagesereignisse oder an den Schlafvorgang selbst). Die Angst, nicht schlafen zu können, kann dabei den Ausschlag geben.
Schlafbehindernde Gedanken
Bei lang anhaltenden Schlafstörungen entwickeln sich häufig ungünstige, den Schlaf störende Gedanken (ausgeprägte Sorge um den Schlaf, Grübeln über die Folgen der Schlaflosigkeit, unrealistische Erwartungen im Hinblick auf das eigene Schlafverhalten). Durch intensive Selbstbeobachtung, durch starken inneren Druck, einschlafen zu müssen, und durch die Erwartung unangenehmer Folgen der Schlaflosigkeit steigt die Anspannung noch an. Häufig werden die nächtlichen Wachzeiten überschätzt, Länge und Qualität des eigenen Schlafs werden unterschätzt.
Ungünstige Schlafgewohnheiten
- Ausdehnung der Bettzeiten,
- frühes Zu-Bett-Gehen,
- unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus,
- Schlafen am Tag,
- schlafbehindernde Aktivitäten (Fernsehen, Lesen oder Arbeiten im Bett).
Folgen der Schlafstörungen
Es können Ängstlichkeit, Depressivität, Müdigkeit, Leistungs- und Konzentrationsstörungen auftreten. Vergebliche Anstrengungen etwa, den Schlaf zu verbessern, können deprimieren. Realer Schlafmangel verursacht Tagesmüdigkeit und stört Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, andererseits werden diese Phänomene - bei eigentlich noch norm- und altersgerechten Leistungsschwankungen - oft überbewertet oder fehlinterpretiert.
Andere Faktoren
Manchmal ist der Schlaf beispielsweise durch Jetlag oder Schichtarbeit gestört: kurze Nachtschichten (1–2 Nächte) sind gegenüber längeren Nachtschichtdienstzeiten vorzuziehen, und es empfiehlt sich eine Vorwärtsrotation der Schichten im Uhrzeigersinn.
Es gibt eine Reihe von Medikamenten und anderen Substanzen, die den Schlaf stören:
- Schlafmittel (Hypnotika; etwa Benzodiazepine, Barbiturate, mit Rebound-Insomnie und Hangover
- Mittel gegen hohen Blutdruck (Antihypertensiva, alpha-Blocker)
- Asthmamedikamente (Theophyllin, Sympathikomimetika)
- Hormonpräparate (Thyroxin, Kortison)
- Antibiotika (Gyrasehemmer)
- Nootropika (Piracetam)
- Diuretika
- Antriebssteigernde Antidepressiva (MAO-Hemmer, SSRI)
- Alkohol und andere Rauschmittel
- Stimulierende Substanzen (Koffein, Amphetamine, Ecstasy)
Ausserdem können verschiedene organische Erkrankungen die Schlafqualität beeinträchtigen:
- Herz- und Lungenerkrankungen
- Chronische Nierenerkrankungen
- Magen-Darm-Erkrankungen
- Hormonelle Störungen
- Chronischer Schmerz, z.B. bei Rheuma
- Tumore und chronische Infektionen
- Epilepsien
- Parkinson'sche Erkrankung
- Polyneuropathien (Nervenschmerz)
- Restless Legs
Schlafhygiene
Ein Schlaftagebuch oder ein Schlaffragebogen liefert Hinweise auf möglich Störfaktoren.
Verhaltenstipps sind z.B.:
- Alkohol ist kein Schlafmittel und bei Schlafstörungen nicht zu empfehlen (die Alkoholwirkung lässt in der Nacht nach und provoziert eine vegetative Gegenregulation mit entsprechenden Durchschlafstörungen).
- In der Nacht nicht auf den Wecker oder die Armbanduhr schauen.
- Nach dem Mittagessen keine koffeinhaltigen Getränke (Kaffee,Schwarztee,Cola) mehr trinken.
- Keine Appetitzügler nehmen.
- Keine schweren Mahlzeiten am Abend.
- Regelmäßige körperliche Aktivität.
- Allmähliche Verringerung geistiger und körperlicher Anstrengung vor dem Zubettgehen.
- Ein persönliches Einschlafritual einführen.
- Im Schlafzimmer für eine angenehme Atmosphäre sorgen.
Diese und andere Vorschläge sollten als Experiment vereinbart und das Ergebnis nach jeweils 2 Wochen anhand des Schlafprotokolls diskutiert werden. Die Betroffenen sollten zusätzlich ermuntert werden, sich in populärwissenschaftlichen Büchern bzw. Ratgebern über Schlaf und Schlafstörungen zu informieren:
- Backhaus J, Riemann D (1996): Schlafstörungen bewältigen. Informationen und Anleitungen zur Selbsthilfe. Beltz/Psychologie VerlagsUnion,Weinheim.
Behandlung mit Medikamenten
Benzodiazepine
Benzodiazepine verändern die Schlafstruktur: man schläft schneller ein, nächtliche Aufwachphasen (REM-Schlaf und langsamwellige Delta-Aktivität) werden unterdrückt. Setzt man sie aber - auch nach nur wenigen Tagen Gebrauch - plötzlich ab, können die Schlafstörungen sogar schlimmer werden, Ängstlichkeit tagsüber kann sich verstärken. Kurz wirksame Benzodiazepine haben keinen „Hangover-Effekt“, so dass man am folgenden Morgen besser wach wird.
Ältere Patienten können nach Einnahme von Benzodiazepinen bedenkliche Nebenwirkungen bekommen:
- Gedächtnislücken
- nächtliche Verwirrtheit
- Stürze mit Knochenbrüchen (weil Benzodiazepine die Muskulatur schlaffer machen).
Auch bei nächtlichen Atemstörungen (Schlafapnoe) können Benzodiazepine gefährlich werden, da sie die nächtlichen Atempausen verstärken.
Generelle Richtlinien für die Verordnung von Benzodiazepinen sind:
- klare Indikation
- niedrige Dosis
- kurze Verordnungsdauer
- langsames Absetzen.
Bei mangelnder Wirksamkeit sollten Benzodiazepine nicht länger als 3 Wochen, bei guter Wirksamkeit nicht länger als 3 Monate verordnet werden. Bei einer Suchterkrankung sind sie auf jeden Fall verboten.
Seit 1990 sind 3 neue Medikamente auf dem Markt: Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon. Das sind keine Benzodiazepine, aber sie beeinflussen ebenfalls das GABA-Neurotransmittersystem. Bei gleicher Wirksamkeit scheinen diese Medikamente weniger Risiken und Nebenwirkungen zu haben, aber auch sie führen bei langfristiger Einnahme zur Abhängigkeit.
Antidepressiva
Beruhigende Antidepressiva (Amitriptylin, Doxepin oder Trimipramin) können, in niedriger Dosierung, bei Schlafstörungen eingesetzt werden. Es können allerdings unangenehme, anticholinerge Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, Sehstörungen, Herzbeschwerden) und Blutbildveränderungen auftreten. Der Einsatz sedierender Antidepressiva bei primären, nichtorganischen Insomnien ist derzeit noch als „off-label use“ anzusehen, weil die Studienlage nicht eindeutig ist.
Neuroleptika
Von einem generellen Einsatz von Neuroleptika bei primären Insomnien wird abgeraten: Studien liegen trotz des häufigen Einsatzes dieser Präparate bisher nicht vor, kein Neuroleptikum ist explizit für die Indikation zugelassen. Diese Medikamente mit starkem schlafförderndem Effekt (Promethazin, Thioridazin, Levomepromazin, Prothipendyl, Pipamperon und Melperon) können extrapyramidale Nebenwirkungen (Dystonien, Parkinsonoid) und Spätdyskinesien hervorrufen.
Andere Medikamente
Antihistaminika sind für Patienten frei erhältlich und werden häufig in Eigenregie eingenommen. Wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise liegen bisher nicht vor.
Eines der ältesten Schlafmittel ist das Chloralhydrat. Auch dafür fehlt der Wirksamkeitsnachweis.
Pflanzliche Medikamente auf Baldrianbasis spielen bei der Selbstmedikation, aber auch mit ärztlicher Verordnung in Deutschland eine große Rolle. Die wissenschaftliche Evaluation der Wirksamkeit steht noch aus, es gibt Hinweise, dass Baldrianpräparate einer Placebobehandlung zumindest leicht überlegen sind und die Schlafeffizienz und -kontinuität leicht bessern. Ausgeprägte Nebenwirkungen oder Abhängigkeitsrisiken sind nicht bekannt.
Nichtmedikamentöse Behandlung
Die medikamentöse Behandlung muss in jedem Fall mit Bestandteilen der nichtmedikamentösen Therapie kombiniert werden. Beratung und Vermittlung einfacher Entspannungsmethoden und schlafhygienischer Regeln muss bei jedem schlafgestörten Patienten durchgeführt werden. Die nicht medikamentösen Ansätze haben den Vorteil, dass sie das Krankheitsgeschehen im Vergleich zu pharmakologischen Ansätzen kausaler beeinflussen, sie stellen aber hohe Anforderungen an die Motivation des Patienten.
Entspannungsmethoden
Autogenes Training und progressive Muskelentspannung haben sich in vielen Untersuchungen bewährt. Anders als bei Schlafmitteln tritt aber keine sofortige Wirkung ein; daher sollten die Übungen zunächst nicht im Bett durchgeführt werden, um Frustrationen durch Misserfolge zu vermeiden.
Stimuluskontrolle
Es wird angenommen, dass bei Schlafgestörten das Bett die Funktion als Auslöser für Schlaf verloren hat. Um die ursprüngliche Assoziation „Bett = Schlaf“ wieder herzustellen, wird empfohlen:
- das Bett nur zum Schlafen zu benutzen (Ausnahme: sexuelle Aktivitäten),
- nur dann ins Bett zu gehen, wenn man müde ist,
- das Bett zu verlassen und einer entspannenden Tätigkeit (Lesen, Musikhören) nachzugehen, wenn man nach einer bestimmten Zeit (15 min) nicht einschlafen kann,
- morgens konsequent zur selben Zeit aufzustehen, auch am Wochenende, und
- tagsüber nicht zu schlafen.
Schlafrestriktion
Vermutlich haben chronisch schlafgestörte Patienten eine „Verwilderung“ biologischer Rhythmen entwickelt. Um den „Schlafdruck“ zu stärken, wird zu Beginn der Behandlung eine Bettzeit vereinbart, die der vorher subjektiv erlebten Schlafzeit (z.B. 5 Stunden) entspricht. Die Patienten sollen nur diese Zeit, beispielsweise von 02.00–07.00 Uhr morgens, zu Bett gehen. Die dadurch erzeugte höhere Müdigkeit führt im besten Fall dazu, dass sie wieder rasch ein- und durchschlafen. Nach einer Woche wird die Schlafzeit wieder um 30 min. ausgedehnt und dann durch weitere Verlängerung auf 6 bis 7 Stunden eingependelt.
Kognitive Techniken
Die paradoxe Intention ("Bleiben Sie nach dem Zu-Bett-Gehen so lange wie möglich wach!") soll helfen, den Teufelskreis aus dem Versuch, den Schlaf zu erzwingen, und der daraus resultierenden Anspannung zu durchbrechen.
Beim Gedankenstopp werden durch einen „Stopp“ Grübelprozesse unterbrochen, anschließend unangenehme Gedanken durch angenehme ersetzt.
Mit den Techniken des Problemlösens werden Grübeleien nicht im Bett verfolgt, sondern auf eine gewisse Zeit vor dem Zu-Bett-Gehen, etwa 1 bis 2 h vorher, verlagert, um sich bewusst den Problemen zu widmen und sich damit auseinanderzusetzen (Aufschreiben des Problems, von Problemlösemöglichkeiten).
Unter Umstrukturierung des dysfunktionalen Schlafdialoges versteht man die Auflösung negativer schlafbezogener Gedanken und Erwartungen durch die Ausführung konstruktiver Alternativen. Viele schlafgestörte Patienten haben festgefahrene Meinungen und negative Gedanken („8 h Schlaf braucht der Mensch“, „wenn ich nicht genug oder ausreichend tief schlafe, bin ich morgens nicht leistungsfähig“). Dazu werden sinnvolle Alternativen eingeübt, die des Nachts eingesetzt werden können.
Weil Schlafstörungen sehr häufig sind, ist eine diagnostische Untersuchung im Schlaflabor aus Kapazitäts- und Kostengründen selten angezeigt. Eine solche Untersuchung empfiehlt sich erst dann, wenn ein Patient unter einer chronischen, unbeeinflussbaren Schlafstörung leidet und mindestens 2 korrekt durchgeführte medikamentöse Therapien und eine kognitive Verhaltenstherapie erfolglos waren.
Quelle: D.Riemann, U.Voderholzer, M. Berger: Nichterholsamer Schlaf und Insomnie. Nervenarzt 2003/74:456–469
Viele kennen das: Nicht erholsamer Schlaf lähmt den Tag, und trotz vieler Versuche, etwas dagegen zu tun, kehrt er zurück. Wichtig zu wissen ist: Der Mensch durchläuft während des Schlafes verschiedene Phasen, die etwa 1 1/2 Stunden dauern. Diese Phase...
Aufgenommen: Sep 14, 23:42