Mitglieder der Freien Ärzteschaft (darunter auch ich) haben am 26.3.2008 fristgerecht Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG), BGBl. I S. 378 ff. vom 30. März 2007 und gegen die §§63, 64, 69-141 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit den zuführenden gesetzlichen Grundlagen erhoben.
Sie können die Verfassungsbeschwerde bei der Freien Ärzteschaft herunterladen und online unterstützen.
Anträge:
1. Die Beschwerdeführer beantragen, die angegriffenen Vorschriften für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären,
hilfsweise,
die Teile der angegriffenen Vorschriften für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären, die die Rechtsverhältnisse der Vertragsärzte regeln.
2. Weiterhin beantragen die Beschwerdeführer, alle sich aus den o.g. Gesetzen abgeleiteten Maßnahmen, die im klaren Widerspruch zu den Regeln des BGB zu Lasten der zugelassenen Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten wirken, im Sinne eines Moratoriums für nicht vollstreckbar zu erklären.
3. Wegen der gegebenen Eilbedürftigkeit beantragen die Beschwerdeführer weiterhin den Erlass einstweiliger Anordnungen im Sinne der genannten Anträge, um im Rahmen eines effektiven Rechtsschutzes irreparable Entwicklungen nicht zuzulassen.
4. Zur Vermeidung eines vertragslosen Zustands beantragen die Beschwerdeführer ebenfalls, anzuordnen, dass bis zur Entscheidung in der Hauptsache für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung die Rechts- und (12 Jahre unveränderten !) Honorarregeln der privaten Krankenversicherung, insbesondere die Gebührenordnung für Ärzte, Gültigkeit haben, ohne dem Gesetzgeber die Möglichkeit einzuräumen, diese einseitig per Rechtsverordnung kurzfristig zu ändern.
Hilfsweise beantragen die Beschwerdeführer, anzuordnen, dass unter den Rechtsregeln der PKV anstatt nach GOÄ die ärztlichen Honorare für Leistungen bei Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung bis auf Weiteres in Euro und Cent abzurechnen sind, wie sie sich aus den Vorgaben des zwischen den Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen und der KBV im Bewertungsausschuss einvernehmlich beschlossenen EBM 2000 in Kombination zu dem dort avisierten Punktwert von 5,11 Cent ableiten
5. Da der Status einer weisungsgebundenen Körperschaft des öffentlichen Rechts im Verbund mit einer machtergreifenden Rechtssetzung im SGB V (§ 77, § 77 a, § 78, § 79, § 79 a, § 95 b SGB 5) eine effektive und freie Vertretung ärztlicher Interessen durch die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen verunmöglicht, beantragen die Beschwerdeführer weiterhin, § 77 Abs. 3 SGB V und damit die Zwangsmitgliedschaft zugelassener Vertragsärzte in der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung und damit den Vertretungsanspruch der KV für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. Neue Verträge mit „Vertragsärzten“ oder zu ihren Lasten bedürfen der Zustimmung einer legitimierten Vertretung der Ärzteschaft, die den Ansprüchen des Art. 9 Abs.1 und 3 GG genügt. Die leitenden Funktionäre der Kassenärztlichen Vereinigungen / Kassenärztlichen Bundesvereinigung haben sich selbst als willige staatliche Erfüllungsgehilfen zum Schaden der sie alimentierenden Ärzteschaft diskreditiert.
Die Rechtsform einer künftigen ärztlichen Interessenvertretung ist so zu wählen, dass ihr gegenüber ein abermaliger Missbrauch staatlicher Weisungsbefugnis nicht möglich ist.
Vorbemerkung
Die mit dieser VB angesprochene Problematik ist eingebettet in das wahrlich komplexe Geschehen des deutschen Gesundheitswesens. Das erspart nicht die Bemühung, die Rahmenbedingungen zumindest in groben Zügen insoweit aufzuzeigen, als sie für das Verständnis und damit für die Rechtsfindung aus Sicht der BF erforderlich scheinen.
Es geht bei der vorliegenden VB zur Verfassungsmäßigkeit der angesprochenen Gesetze um nicht mehr oder weniger als den vom GKV-WSG und dem SGB 5 als Gesamtprodukt der „Gesundheitsreformen“ der vergangenen Jahre akut betroffenen „Vertragsärzten“ definitiv
Klarheit darüber zu schaffen, ob die Freiberuflichkeit ihres Berufsstandes Bestand haben soll oder sie sich mit ausdrücklichem Einverständnis der höchsten deutschen Gerichts in das Schicksal einer entschädigungslosen, “kalten“ Enteignung und Zwangskollektivierung zu ergeben haben.
Es mag dem Gesetzgeber jederzeit offen stehen, die Strukturen im Gesundheitswesen nach eigenen Vorstellungen zu formen, jedoch hat auch die gesetzgeberische Freiheit grundrechtliche Vorgaben zu respektieren. Die Wahrung der Grundrechte wie freie Berufswahl und -ausübung ebenso wie der Schutz vor Enteignung müssen auch für Bürger mit dem Beruf „Vertragsarzt“ Bestand haben.
Richtungweisend für den Umgang der Politik mit der Ärzteschaft sind Äußerungen der zuständigen Fachministerin, die für auch die Formulierung der angesprochenen Gesetze maßgeblich verantwortlich ist.
„Es muss endlich Schluss sein mit der Ideologie der Freiberuflichkeit.“
Ulla Schmidt am 21. Juli 2003
“Wir erwarten, dass die Ärzte die Patienten für das Geld behandeln, das die Kassen bereit sind zu zahlen!“
Ulla Schmidt, Remscheid, 17.Nov. 2006
"Keiner zwingt einen Arzt dazu, einen Kassenvertrag abzuschließen.“
Ulla Schmidt stern.de - 26.11.2006
(Hier folgt in der Klageschrift die eingehende Klagebegründung)