Skip to content

Wahnsinnswoche 2020:03

In dieser Woche 151 Patientenkontakte und 16 Terminausfälle. Bis Ende März bin ich ausgebucht. Kurzfristige Folgetermine habe ich also nicht im Angebot.


Ärzte-Burnout in den USA verursacht dort zusätzlich jährliche Kosten in Höhe von 4,6 Milliarden Dollar. In einem Nebensatz wird darauf hingewiesen, dass Ärzte besonders durch Verwaltungsaufgaben und Bildschirmarbeit belastet werden, die mit ihrem beruflichen Selbstverständnis kollidieren:

"Physicians don’t sign up for the job to stare at a screen. They are doing this to provide care for people".

"Ob Zertifizierungsniveau oder -verfahren, Installationsqualität, Management der Authentifikationsmittel oder Updates – wo immer unabhängige Experten bisher im Rollout der TI hinschauten, blickten sie in Abgründe."

Hinweise auf mögliche Verwundbarkeiten der Medizin-Telematik. Heise.de 17.1.2020


"Although antipsychotics surely have side effects that can increase metabolic risks, the illness itself has a greater side effect burden, and the illness itself outperforms in a bad [way]...the risk of antipsychotics, in terms of cardiovascular burden."

Antipsychotics for Schizophrenia Linked to Lower Mortality, CVD Risk? - Medscape - Jan 16, 2020.


"The increasingly sophisticated patterns of brain connectivity required for human cognition may come at the cost of both an energetic premium, and also the risk for psychosis."

Towards a Natural History of Schizophrenia. Brain. 2019;142(12):3669-3671. (via Medscape)


"Die Verwendung von Cannabinoiden kann bei psychischen Erkrankungen nicht gerechtfertigt werden."

Große Meta-Analyse: Was bringen Cannabinoide gegen Depressionen, ADHS, Angststörungen und Co? - Medscape - 8. Nov 2019


"Die Versorgungslage bei Erwachsenen mit ADHS ist katastrophal."

ADHS: Mythen erschweren noch immer die Therapie bei Kindern – und Erwachsene sind schlecht versorgt - Medscape - 3. Dez 2019


"Das Erlebnis einer „ozeanischen Selbstentgrenzung“ durch eine hohe Dosis Psilocybin spült die Symptome einer Major Depression fort."

Freude, schöner Götterfunken: Kann das entgrenzte Glücksgefühl durch Psychedelika wie Psilocybin schwere Depressionen heilen? - Medscape - 6. Dez 2019


Soulfood: She's Drunk All The Time - Tim Timebomb and Friends

Soulfood@youtube

Wahnsinnswoche 2018:52

In dieser Woche 35 Patientenkontakte und ein Terminausfall an zwei Tagen. Bis auf Weiteres habe ich erst in 10-12 Wochen wieder Termine frei. Bin ab 7.1.2019 wieder in der Praxis - bis dahin alles Gute für das Neue Jahr!


"Also, es muss wirklich sehr frustrierend sein, wenn man kurz vor seiner sicher total berechtigten Pensionierung vom jahrelangen Herumsitzen in klimatisierten Räumen, vor flimmerfreien Bildschirmen und auf rückenadaptierten Sesseln nach maximal acht Stunden mit zwischenzeitlichen Pausen natürlich erschöpft nach Hause gehen muss – unter Mitnahme eines Grundgehaltes von ca. € 240.000,- pro Jahr aus reinen Versichertengeldern, in meinen Augen komplett zum Fenster herausgeworfen!" Kommentar von Dr. Christoph Schüürmann zu den jüngsten Forderungen des GKV-Spitzenverbands (weiterlesen)

Worüber hat sich der Mann so echauffiert? Über den Stackelberg: "Krankheiten richten sich nicht nach den Lieblingsöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte". Klingt richtig, klingt logisch - ist aber in der Schlussfolgerung trotzdem falsch. Lauterbach lockt jetzt dazu mit Prämien (die wahrscheinlich vom Regelleistungsvolumen wieder abgezogen werden), nachdem er vorher süffisant angemerkt hatte, Ärzte spielten Golf, statt zu arbeiten. Ich mag seinen Humor!


Kurz vor Weihnachten kriegte ich (natürlich samstags) ein Einschreiben von der gemeinen Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen und einen entsprechend dicken Hals. Montags hab ich das Ding dann aufgemacht und siehe da: dem Prüfantrag des BKK-Landesverbandes wurde NICHT stattgegeben. Zum Hintergrund [1] und [2]. Den informativen Bescheid können Sie als Download haben - falls Sie auch mal in diese prekäre Lage geraten. Ich warte erst mal ab, ob die BKK mich noch verklagen will.


Zwischen Wahn und Wirklichkeit: Bernd Harder befasst sich in seinem neuen Buch mit "Verschwörungstheorien". Hintergrund: [3].


Aufklärung über die „Intrinsische dopaminerge Aktivität“ eines Neuroleptikums.


Soulfood: Final "Echoes" performance with Richard Wright (Pink Floyd)

Sind Neuroleptika neurotoxisch?

Eine aktuelle Studie legt diesen Schluss nahe:

Greater intensity of antipsychotic treatment was associated with indicators of generalized and specific brain tissue reduction.

Oder, auf Deutsch:

Man muss einstweilen vermuten, dass Antipsychotika zwar Positivsymptome unterdrücken, aber die Stimulation anderer Hirnteile, insbesondere des Frontallappens, reduzieren, was strukturell mit einer Volumenminderung einhergeht. Funktionell bedeutet dies aller Wahrscheinlichkeit nach eine Vermehrung von Negativsymptomatik und kognitiven Defiziten, was mit klinischen Erfahrungen korespondiert. Die Autoren empfehlen, solange keine besseren Medikamente verfügbar sind, mit der Dosierung sehr vorsichtig umzugehen und die jeweils niedrigst mögliche Dosis zu verwenden.

Sind Neuroleptika neurotoxisch?
Psychiat Prax 2011; 38(06): 309-310

Daten, Drogen, Demenz (reloaded)

Kurze Ergänzung: auf meine Frage, ob es vielleicht auch einen Zusammenhang zwischen der Schwere der Pflegebedürftigkeit und der Prävalenz von Wahnsymptomen bei Demenzerkrankungen gebe, erhielt ich die folgende Antwort:

Zur Prävalenz von Wahnsymptomen im Rahmen einer Demenz lassen sich durch unsere Daten leider keine validen Aussagen machen. Eine unzureichende Kodierung der Verhaltenssymptome führt dazu, dass keine aussagekräftigen Zahlen vorliegen. Die Demenzdiagnose an sich ist bereits so ungenau kodiert, dass zum Vorkommen einzelner Demenzformen keine Aussage getroffen werden können.

Vielen Dank. Die vorliegenden Rohdaten lassen also den Schluss zu, dass a) die Demenzdiagnose meist unsauber kodiert wurde und b) die Begleitsymtpome (etwa: organische wahnhafte Störungen) gar nicht erfasst wurden.

Die Frage, ob es sinnvoll und notwendig ist, einem alten, dementen Menschen ein Neuroleptikum zu verschreiben, bleibt weiter offen. (Das fragen Sie ohnehin besser Ihren Arzt, und nicht den Leistungsdatenstatistiker.)

Daten, Drogen, Demenz

Interessant fand ich beim Lesen des Barmer-Arzneimittelreports 2011, dass die GKV-Daten Verordnungsverläufe für einzelne Personen nachzeichnen können (14), und dass dazu Daten zweier Krankenkassen zusammengeführt werden konnten (24), wobei es sich um Daten zu Arzneimittelverordnungen und um Diagnosedaten niedergelassener Ärzte, also um Leistungsdaten zur Begründung der Abrechnung handelte (24).

Diese Daten machten dann personenbezogene Auswertungen und die Darstellung von Behandlungsabläufen möglich (wegen der Pseudonymisierung aber ohne Personenidentifizierung) (25).

Daher frage ich mich, wieso keine Aussage darüber getroffen werden konnte, mit welcher Indikation Benzodiazepine verordnet wurden, und warum anhand der Daten nicht nachvollzogen werden konnte, welche weiteren Komorbiditäten vorlagen, insbesondere eigenständige Angsterkrankungen, andere schwere  psychische  Störungen  oder  weitere  Abhängigkeitserkrankungen (70).

Außerdem frage ich mich, weshalb ein Demenzpatient ca. sechsmal häufiger Neuroleptika jedweder Art als ein Patient ohne Demenzdiagnose erhielt (80), und warum mit Zunahme des Alters und mit zunehmender Schwere der Pflegebedürftigkeit der Anteil an Versicherten mit mindestens einer Verordnung eines Neuroleptikums im Untersuchungsjahr zunimmt (83). Mir leuchtet sofort ein, dass ein Zusammenhang zwischen Betreuungsintensität und Verordnungshäufigkeit besteht (88).

Gibt es vielleicht auch einen Zusammenhang zwischen der Schwere der Pflegebedürftigkeit und der Prävalenz von Wahnsymptomen (22,0 %; 30-50%; bis zu 73%; 82%) bei Demenzerkrankungen?

Wäre interessant, diese Frage mal zu klären.

Placebo hilft gegen Aggressionen

Aggressive Verhaltensstörungen bei Demenzkranken oder bei Menschen mit geistigen Behinderungen werden nicht selten mit Neuroleptika behandelt. Risperidon und Haloperidol scheinen dabei ganz gut zu wirken - noch besser aber wirkt Placebo. Das ist jedenfalls das Ergebnis einer aktuellen Studie. Möglicherweise ist die Verhaltensänderung darauf zurückzuführen, dass den Probanden im Rahmen der Studie vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Ausserdem seien die Studienteilnehmer "nicht unbedingt schwere Problemfälle" gewesen.

Neuroleptika wirkungslos gegen Aggressionen. Dt. Ärzteblatt 4.1.2007

Risiken antipsychotischer Behandlung bei älteren Menschen

US-amerikanische Psychiater prüften im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie (22 890 Patienten), ob sich die Mortalitätsrisiken älterer Patienten bei Therapie mit konventionellen und atypischen Antipsychotika unterscheiden.

Die Behandlung mit konventionellen Antipsychotika geht im Vergleich zu atypischen Antipsychotika mit einer höheren Sterbewahrscheinlichkeit älterer Menschen einher

Unter Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren wurden die Mortalitätsraten in den beiden Gruppen ausgewertet und das Sterblichkeitsrisiko für verschiedene Zeiträume verglichen.

In den ersten 180 Behandlungstagen starben 17,9% der Patienten unter konventionellen und 14,6% unter atypischen Antipsychotika (p < 0,001). Erstere gingen in allen untersuchten Therapiezeiträumen mit einem signifikant höheren adjustierten Sterblichkeitsrisiko einher als die Therapie mit atypischen Antipsychotika.

Der größte Risikoanstieg erfolgte dabei kurz nach Behandlungsbeginn und bei höheren Dosen der konventionellen Antipsychotika. Unter 100 mit konventionellen statt mit atypischen Antipsychotika behandelten Patienten kam es zu durchschnittlich sieben zusätzlichen Sterbefällen.

Nach diesen Ergebnissen geht die Behandlung mit konventionellen Antipsychotika im Vergleich zu atypischen Antipsychotika mit einer höheren Sterbewahrscheinlichkeit älterer Menschen einher. Sie ist somit zumindest unter den Atypika als Gruppe nicht größer, so die Autoren. Sollten sich diese Resultate in weiteren Untersuchungen bestätigen, erscheint eine Empfehlung nicht sinnvoll, ältere Patienten von atypischen auf konventionelle Antipsychotika umzustellen.

:: Wang PS et al.: Risk of death in elderly users of conventional vs. atypical antipsychotic medications.
NEnglJMed 353(2005) 2335-2341

Nebenwirkungen moderner Neuroleptika

Atypische Neuroleptika können körperliche Nebenwirkungen verursachen. Eine aktuelle Untersuchung gibt einen Überblick über relevante metabolische, endokrinologische, hämatologische und kardiovaskuläre Wirkungen.

Trotz erheblicher Unterschiede in den Nebenwirkungsprofilen, können insbesondere die metabolischen Risiken derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Ein Routine-Monitoring wird vorgeschlagen.

Agelink, M et al: Allgemeinmedizinische Aspekte der Therapie mit Antipsychotika der zweiten Generation
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 42 vom 20.10.2006, Seite A-2802

Neuroleptika, Prolaktin und Osteoporose

Das gehäufte Auftreten von Osteoporose bei schizophren Erkrankten könnte auf die Erhöhung des Serum-Prolaktinspiegels durch einige Neuroleptika zurückzuführen sein. In Großbritannien wurde dazu eine Untersuchung veröffentlicht.

Bei 55 Patienten, die seit mehr als 10 Jahren Medikamente mit Prolaktin-erhöhender Wirkung erhalten hatten, wurde die Knochendichte gemessen. Gleichzeitig wurden der Prolaktinspiegel und die Geschlechtshormone bestimmt. Mit dem Alter zunehmende Minderungen der Knochendichte fanden sich bei 17 (57%) der männlichen und bei 8 (32%) der weiblichen Patienten. Höhere Dosierungen der Medikamente waren mit höheren Prolaktinspiegeln und mit geringerer Knochendichte verbunden, bei Männern verringerte sich der Testosteronspiegel mit steigender Medikamentendosis. Die Autoren folgern daraus, daß schizophren Erkrankte, die langfristig Prolaktin-erhöhende Medikamente nehmen, ein erhöhtes Osteoporose-Risiko haben.

Meaney AM, et al: Effects of long-term prolactin-raising antipsychotic medication on bone mineral density in patients with schizophrenia.
Br J Psychiatry. 2004 Jun;184(6):503-508
Abstract

Atypische Neuroleptika in Schwangerschaft und Stillzeit

Eine italienische Übersichtsarbeit untersucht die seit 1993 verfügbare Literatur zur Frage, ob atypische Neuroleptika in Schwangerschaft und Stillzeit sicher sind. Teilweise liegen noch keine verlässlichen Daten vor.

Olanzapin und Clozapin erhöhen offensichtlich während der Schwangerschaft das Risiko von Mißbildungen nicht.

Dem gegenüber ist das Wissen über Quetiapin, Risperidon, Aripiprazol und Ziprasidon begrenzt.

Unerwünschte, ernste Auswirkungen auf Mutter und Kind sind bei der Anwendung von Atypika nicht auszuschließen. In mehreren Studien wird angenommen, dass die Anwendung von Atypika während der Schwangerschaft ein erhöhtes Diabetesrisiko mit sich bringt.

Langzeitwirkungen auf die neuronale Entwicklung Neugeborener nach Medikamenteneinwirkung über Plazenta und Muttermilch sind lediglich in sporadischen Fallberichten dokumentiert.

Die möglichen Auswirkungen einer unbehandelten psychotischen Episode können schwerwiegend sein, Suzidversuche der Mutter und/oder Kindstod können die Folge sein. Daher müssen die Risiken der Medikamenteneinnahme für das Ungeborene und das Neugeborene gegen die Risiken für Mutter und Kind, bei unbehandelter Erkrankung, abgewogen werden.

Letztlich haben Atypika gegenüber typischen Neuroleptika keinen eindeutigen Sicherheitsvorteil während Schwangerschaft und Stillzeit.

Die Autoren empfehlen, drei Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

1. Nutzen und Risiken für das Kind sollten bei Medikamenteneinnahme während Schwangerschaft und Stillzeit sorgfältig abgewogen werden.

2. Der Schweregrad der mütterlichen Erkrankung soll berücksichtigt werden

3. Es sollten Medikamente mit ausgewogenem Verhältnis zwischen Nutzen und Risiken ausgewählt werden.

Gentile S.: Klinischer Gebrauch atypischer Neuroleptika in Schwangerschaft und Stillzeit. Ann Pharmacother. 2004 May 18