Die AOK Baden-Württemberg hat jetzt Ärzten, die in Medi-Verbund und Hausärztlicher Vertragsgemeinschaft organisiert sind, den Zuschlag für die flächendeckende Versorgung erteilt und sich damit aus dem über die Kassenärztliche Vereinigung vermittelten Sicherstellungsauftrag verabschiedet.
Für KV-Funktionäre stellt dieser Schritt eine ernste Bedrohung ihrer eigenen Existenz dar und sie protestieren daher entschieden gegen das neue Vertragsmodell.
Die Feststellung von AOK-Chef Ahrens, dass eine Qualitätssteigerung im Gesundheitssystem nur ausserhalb antiquierter Vertragsstrukturen möglich sei, ist jedoch ausgesprochen zu begrüßen. Es scheint sich mittlerweile auch bei der AOK herumgesprochen zu haben, dass die Versorgungsqualität in Zeiten von Global- und Individualbudgets (und anderer restriktiver Maßnahmen) nicht mehr zu halten ist.
Sein Ziel, beispielsweise in einen direkten Vertragswettbewerb mit der PKV einzutreten, bietet tatsächlich die Chance, veraltete Strukturen aufzubrechen und neue Dimensionen der Qualitätssteigerung zu eröffnen.
Wie ihm aus der Veränderung der Verwaltungskosten seiner eigenen Institution in Zusammenhang mit der Qualitätssteigerung ihres eigenen Serviceangebotes deutlich werden muss, hat Qualität ihren Preis.
Ich begrüße daher ebenfalls ausdrücklich seine zwischen den Zeilen zu lesende Feststellung, dass eine Qualitätssteigerung bei der medizinischen Behandlung auch mit einer angemessenen Honorierung dieser Dienstleistung einher gehen muss, und dass er das Sachleistungssystem für ebenso überholt hält, wie viele Ärzte.
Die Zukunft liegt in alternativen Vertragsformen und in der Öffnung des Marktes, hin zu einer transparenten, den heutigen Verhältnissen gerecht werdenden Lösung, die obendrein noch eine längst überfällige Steuerungswirkung hat:
der einzelvertraglichen Beziehung zwischen Leistungsnehmer und Leistungsanbieter.
Herr Hoberg, ebenfalls AOK, äußert sich - anders als Herr Ahrens, der seinerseits nichts zur Vergütung sagt - nicht zur Qualität der Versorgung:
Unser Ziel ist, die Vergütungshöhe für den ambulanten Bereich kostenneutral zu sichern und damit die Beiträge stabil zu halten.
Es ist relativ unbedeutend, wie diese beiden Vorstandsmitglieder der AOK ihre divergierenden Interessen unter einen Hut bringen.
Es ist aber relativ bedeutend, dass sich die AOK auf ein nicht ganz risikoloses Experiment mit ungewissem Ausgang und mit ungeklärten Rechtsfolgen (Stichwort: Kostenerstattung ausserhalb von BaWü ja/nein?) einlässt und sich nebenbei vom "bewährten System" der Sachleistung via KV verabschiedet.
Das hätten Ärzte allein nie erreicht.
Und dann will sich die AOK noch dem europäischen Krankenversicherungsmarkt stellen und tatsächlich den partiellen Wechsel von einem umlage- zu einem kapitalfinanzierten System vollziehen. Was ist dagegen einzuwenden?
Mit zunehmendem Einfluss von Marktgesetzen wird dann immer deutlicher werden, dass auch die AOK dem Prinzip "pay for performance" nicht ausweichen kann und dass Qualitätssteigerungen nicht kostenneutral erzwungen werden können. Oder anders herum: dass das bedingungslose Primat der Beitragssatzsstabilität zwangsläufig zu weiteren Qualitätseinbußen führen wird.
Insofern habe ich die ganz und gar nicht unbegründete Hoffnung, dass jeder radikale Eingriff in das überholte System den Innovationsdruck durch die und auf die Leistungsträger massiv erhöhen und zu den grundlegenden Veränderungen führen wird, zu denen die insuffiziente Politik nicht fähig war und ist.