Ambulante Soziotherapie nach § 37a SGB V richtet sich an chronisch psychisch kranke Menschen, um ihnen ein Leben außerhalb von psychiatrischen Einrichtungen zu ermöglichen. Es handelt sich um ein zielgerichtetes Handlungskonzept, das individuell auf den Einzelfall abgestimmt ist und eine systematische Betreuungsplanung (von Patient, Arzt und Soziotherapeut gemeinsam entwickelt) einschließt.
Die Expertenkommission des Bundesgesundheitsministeriums hatte bereits 1988 auf die Probleme bei der Betreuung chronisch psychisch Kranker hingewiesen: den Verlust sozialer Bezüge, die reduzierte Fähigkeit, den Alltag eigenständig zu bewältigen, die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit und in vielen Fällen die soziale Isolation mit zahlreichen Rückfällen.
Ziel der Soziotherapie ist es, die Patientinnen im Alltag zu unterstützen und zu fördern, um eine (Wieder-)Einweisung in stationäre Einrichtungen zu vermeiden. Die Soziotherapie soll die gesunden Ressourcen der Patienten aktivieren und nutzen, damit sie in möglichst kurzer Zeit von fremder Hilfe unabhängig werden.
Im Modellprojekt konnte eine Verkürzung der stationären Liegezeit, mit entsprechend verbesserter Lebensqualität, nachgewiesen werden (nur 10-15% Therapieabbrüche bei 30 Personen in 2 Jahren). Außerdem verringerten sich die Behandlungskosten pro Patient um ca. 70%.
Die Verordnung ist auf max. 120 Stunden, die innerhalb von 3 Jahren in Anspruch genommen werden müssen, begrenzt.
Soziotherapie kann verordnet werden, wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht ausführbar ist. Die Erbringung von Soziotherapie erfolgt bedarfsgerecht und ist an einer wirtschaftlichen Mittelverwendung zu orientieren.
Indikation für Soziotherapie
- ist gegeben bei Vorliegen einer schweren psychischen Erkrankung aus den Bereichen des schizophrenen Formenkreises und der affektiven Störungen.
Fähigkeitsstörungen
Die Erkrankungen, die der Soziotherapie bedürfen, sind gekennzeichnet durch folgende Fähigkeitsstörungen:
- Beeinträchtigung durch Störungen des Antriebs, der Ausdauer und der Belastbarkeit
- durch Unfähigkeit zu strukturieren
- durch Einschränkungen des planerischen Denkens und Handelns sowie des Realitätsbezuges
- Störungen im Verhalten mit Einschränkung der Kontaktfähigkeit und fehlender Konfliktlösungsfähigkeit
- Einbußen im Sinne von Störungen der kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration und Merkfähigkeit, der Lernleistungen sowie des problemlösenden Denkens
- Mangelnde Compliance im Sinne eines krankheitsbedingt unzureichenden Zugangs zur eigenen Krankheitssymptomatik und zum Erkennen von Konfliktsituationen und Krisen.
Die Schwere der Fähigkeitsstörungen wird mit der GAF-Skala gemessen. Bei Verordnung von Soziotherapie darf deren Wert 40 nicht überschreiten. Soziotherapie setzt voraus, daß der Patient die Therapieziele erreichen kann.
Quelle: http://www.soziotherapie.de/pdf/gaf.pdf
Leistungen
Folgende Leistungen sind in jedem Fall zu erbringen:
- Erstellung des soziotherapeutischen Betreuungsplans
- Koordination von Behandlungsmaßnahmen und Leistungen
- Arbeit im sozialen Umfeld
- Soziotherapeutische Dokumentation
Folgende Leistungen können ggf. aufgrund der Struktur der spezifischen Patientenprobleme erbracht werden:
- Motivations-(antriebs-)relevantes Training
- Training zur handlungsrelevanten Willensbildung
- Anleitung zur Verbesserung der Krankheitswahrnehmung
- Hilfe in Krisensituationen
Quelle: Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen
Berufsgruppen
Angehörige folgender Berufsgruppen können Soziotherapie erbringen:
- Diplom-SozialarbeiterInnen/-SozialpädagogInnen
- Fachkrankenschwester/-pfleger für Psychiatrie
Sie müssen nachweisen:
- Kenntnisse der psychiatrischen Erkrankungen
- Kenntnisse und praktische Erfahrungen mit schwer psychisch Kranken
- Kenntnisse und Erfahrungen in koordinierender und begleitender Unterstützung und Gruppenarbeit
- Kenntnisse über komplexe, aktivierende und handlungsorientierte Methoden
- Kenntnisse in der Aufstellung und Umsetzung von soziotherapeutischen Betreuungsplänen
- Kenntnisse in der Formulierung von Therapiezielen
- Kenntnisse in der Dokumentation von Behandlungsverläufen
- Kenntnis des gemeindepsychiatrischen Verbundsystems
- Kenntnis des Sozialleistungssystems
- Kenntnisse in Rechtskunde
Der Leistungserbringer für Soziotherapie muß in ein gemeindepsychiatrisches Verbundsystem oder vergleichbare Versorgungsstrukturen eingebunden sein.
Leistungserbringer haben auf Grund der Unterschiedlichkeit der Studiengänge/ Berufsausbildungen ihre berufliche Qualifikation detailliert nachzuweisen. Den Krankenkassen, Landesverbänden der Krankenkassen bzw. den Verbänden der Ersatzkassen sind bei der Überprüfung der Qualifikation die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung behilflich.
Zur Sicherung der Qualität haben die Leistungserbringer für Soziotherapie folgende Verpflichtungen zu erfüllen:
- Innerhalb der ersten zwei Jahre der Tätigkeit ist die Teilnahme an einer Balintgruppe oder einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Gruppe (KVG) oder einer Fallsupervision erforderlich.
- Besuch von jährlich vier Fortbildungsveranstaltungen.
- Jährlich mindestens 16 Stunden Erfahrungsaustausch unter berufstätigen soziotherapeutischen Leistungserbringern.
Quelle: Gemeinsame Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen (PDF, 81 KB), (§ 132b SGB V)