Die Freie Ärzteschaft (FÄ) und die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP) haben heute zum Protesttag am morgigen Freitag aufgerufen und der Politik vorgeworfen, die gute Gesundheitsversorgung zu zerstören. Unter dem Motto „Diese Politik macht krank“ erwarteten sie fünf bis zehn Tausend Teilnehmer beim Demonstrationszug vom Roten Rathaus zum Brandenburger Tor in Berlin und die Schließung von einem Drittel aller Praxen, erklärten die Verbände heute auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt.
Der Protestzug soll um 12 Uhr vor dem Roten Rathaus mit einer Eröffnungsrede beginnen. Um 14 Uhr ist eine Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor angekündigt. „Es geht nicht primär um mehr Honorar für die Ärzte“, betonte der Präsident der FÄ, Dr. Martin Grauduszus. Deshalb sei die Demonstration auch nach den Honorarverhandlungen unbedingt notwendig, um eine Kehrtwende einzufordern. Es sei ein Appell an die Politik und die Bundeskanzlerin, die gute Gesundheitsversorgung zu erhalten. „Nachhaltig ist die Politik der Großen Koalition nur darin, dass sie unsere Gesundheitsversorgung nachhaltig zerstört und für Investoren berechenbar macht.“ Die wohnortnahe Versorgung, in der 90 Prozent aller Fälle behandelt würden, bleibe auf der Strecke. Die Konzerne stünden in den Startlöchern, um jetzt nach den Kliniken auch die Niedergelassenen einzukaufen. „Dagegen gehen wir auf die Straße und rufen zu Protest auf“, erklärte Grauduszus.
Es sei schwierig, Ärzte und Patienten gemeinsam auf die Straße zu bringen, sagte der Präsident der DGVP, Wolfram-Arnim Candidus. „Jahrelang hat die Politik den Patienten beigebracht, dass die Chipkarte eine Kreditkarte ist, mit der Patienten alles bezahlt bekommen. Wir müssen aufklären, was es eigentlich kostet, sich beim Zahnarzt eine Plombe machen zu lassen oder sich röntgen zu lassen. Der Bürger wird von der Politik zur Unmündigkeit erzogen.“ Auch die Ärzte dürften sich nicht ausruhen und zurücklehnen, weil den Niedergelassenen 2,5 und den Kliniken vier Milliarden Euro mehr versprochen seien. „Einfach nur mehr Geld ändert doch nichts“, warnte Candidus, „das System bleibt das gleiche. Es ist ein Krankheitsbetreuungssystem, kein Gesundheitssystem."
Die Politik wolle die Ärzte zum Dumpingpreis immer mehr arbeiten lassen, um den Patienten immer mehr Leistungen versprechen zu können, kritisierte der Vizepräsident der FÄ, Hans Peter Meuser. „Wenn jetzt zehn Prozent mehr Honorar angekündigt werden, dann ist das nicht einfach ein Aufschlag, sondern das heißt, dass wir jetzt zehn Prozent mehr arbeiten dürfen, um mehr zu verdienen.“ Es werde genauso weiterhin Budgetgrenzen geben, die jetzt nur Regelleistungsvolumen hießen. „Das Ganze ist nichts als eine Mogelpackung.“
Dass andere Verbände noch still hielten und nicht alle an der Demonstration teilnähmen, liege daran, dass sie eng mit den KVen verwoben seien. „Erst jetzt, wo einzelne KVen feststellen, dass sie von den 2,5 Milliarden nichts abbekommen, werden sie langsam wach“, sagte Meuser. Es hätten sich zumindest die Landesverbände Nordrhein und Thüringen vom Hartmannbund und MEDI Brandenburg dem Protestaufruf angeschlossen, sagte Grauduszus.
Die Öffentlichkeit müsse den Grad an Versorgung in Deutschland durch die vielen niedergelassenen Ärtze zu würdigen lernen, um sich für ihren Erhalt einzusetzen, erklärten die Verbände. „Die Unternehmen betreiben immer mehr Lobbyarbeit“, warnte Grauduszus. Er wolle niemandem Böses unterstellen, aber manche Politiker wüssten gar nicht, wer einen Gesetzesentwurf mit welchen Interessen ursprünglich geschrieben habe. „Es ist doch natürlich, dass die Unternehmen versuchen, sich einen so großen neuen Markt wie das Gesundheitswesen zu erschließen.“ Und so wenig wie die Öffentlichkeit bis jetzt darüber informiert sei und die Politik schweige, sehe es so aus, als hätten sie gute Chancen, das zu erreichen. „Wir wehren uns gegen diese destruktive Entwicklung und nehmen deshalb die Mühe eines Protesttages auf uns“, erklärte Candidus.