Das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) ist am 1. Juli 2004 in Kraft getreten.
Das den heutigen Verhältnissen nicht mehr adäquate Entschädigungsprinzip bei Sachverständigen sollte durch ein neues leistungsgerechtes Vergütungsmodell ersetzt werden, das sich am Bild des hauptberuflich tätigen und selbstständigen Sachverständigen orientiert; dies ist allerdings für den Bereich der ärztlichen Sachverständigen nicht erreicht worden. Lediglich der zehnprozentige Ostabschlag für den Bereich des Justizkostenrechtes für die Vergütung von Zeugen und Sachverständigen ab 1. Juli 2004 entfällt (anders als in der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte).
Die im Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSeg) geregelten Stundensätze mit Gebührenrahmen sind durch Honorargruppen, entsprechend der unterschiedlichen Sachverständigengruppen, mit festen Stundensätzen ersetzt worden.
Donnerstag, 1. Juli 2004
Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG)
Für ärztliche Sachverständige sind eigenständige Honorargruppen gebildet worden, die zugleich eine Kategorisierung ärztlicher Sachverständigengutachten beinhalten.
Z.B. Gutachten zur Haft-, Verhandlungs- oder Vernehmungsfähigkeit, zur Verlängerung einer Betreuung.
Z.B. Gutachten zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität, zu einfachen Fragestellungen zur Schuldfähigkeit ohne besondere Schwierigkeiten der Persönlichkeitsdiagnostik, zur Einrichtung einer Betreuung, zu Unterhaltsstreitigkeiten auf Grund einer Erwerbs- oder Arbeitsunfähigkeit.
Z.B. Gutachten zur Schuldfähigkeit bei Schwierigkeiten der Persönlichkeitsdiagnostik, in Verfahren zur Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung (in Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis zu neurologisch/psychologischen Fragestellungen), zur Kriminalprognose, zur Aussagetüchtigkeit, zur Widerstandsfähigkeit, in Unterbringungsverfahren, in Verfahren nach § 1905 BGB (Sterilisation), in Verfahren zur Regelung von Sorge- oder Umgangsrechten, zur Geschäfts-, Testier- oder Prozessfähigkeit.Das Sachverständigenhonorar nach Stundensätzen wird für jede Stunde der für die Gutachtenerstellung erforderlichen Zeit, beginnend beim Aktenstudium einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, bis zur Auswertung und Diktat des Gutachtens gewährt. Dabei wird die letzte, bereits begonnene Stunde voll gerechnet, wenn sie zu mehr als 30 Minuten beansprucht wurde. Wenn sie lediglich weniger oder bis zu 30 Minuten beansprucht wird, ist die angebrochene Stunde nur mit der Hälfte des Stundensatzes anzusetzen.
Neben der festen Stundensatz-Vergütung bestehen weitere Möglichkeiten der Honorargestaltung, zum Beispiel die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Sachverständige diese beantragt hat oder das Gericht sie für angemessen hält.
Sollte ein medizinisches oder psychologisches Gutachten mehrere Sachverhalte betreffen, die als solche verschiedenen Honorargruppen zugeordnet werden können, bemisst sich das Honorar einheitlich für die gesamte erforderliche Zeit nach der höchsten dieser Honorargruppen.
Schließlich besteht die Möglichkeit, eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vergütung zu vereinbaren, wenn sich die Parteien dem Gericht gegenüber im Vorfeld der Begutachtung hierüber geeinigt haben.
Neben dem Honorar für die Gutachtenleistung erhält der medizinische Sachverständige ein Honorar für besondere Leistungen, die sich nach der Anlage zu § 10 bemessen (dürfte in der Psychiatrie keine Rolle spielen).
werden generell geregelt. Bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel werden die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der Kosten für die Benutzung der ersten Bahnklasse, einschließlich Auslagen für Platzreservierung und Beförderung notwendigen Gepäcks, ersetzt. Bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs wird dem Sachverständigen ein Kilometergeld von 0,30 Euro, zuzüglich der aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden Auslagen, insbesondere Parkentgelte, erstattet.
fallen Kosten notwendiger Vertretungen, erforderlicher Begleitpersonen, und die Kosten für die Anfertigung von Kopien mit 0,50 Euro je Seite für die ersten 50 Seiten und 0,15 Euro für jede weitere Seite. Für die Anfertigung von Farbkopien werden zwei Euro je Seite ersetzt. Die Höhe dieser Pauschale ist in derselben Angelegenheit einheitlich zu berechnen. Für die Überlassung elektronisch gespeicherter Dateien werden 2,50 Euro je Datei ersetzt.
werden nicht mehr nach Seitenzahl, sondern mit 0,75 Euro je angefangene 1 000 Anschläge vergütet.
Die bisher erstatteten üblichen Gemeinkosten sind mit der Erstattung der Vergütung für das Gutachten abgegolten. Die auf die Vergütungen des Sachverständigen entfallende Umsatzsteuer wird ebenfalls gesondert ersetzt, dabei umfasst der Begriff Vergütung nach der Regelung in § 8 das gesamte Honorar und den Aufwendungsersatz.
Die Ausstellung eines Befundscheines und die Erteilung einer schriftlichen Auskunft ohne gutachtliche Äußerung wird danach zukünftig mit 21 Euro vergütet; bei außergewöhnlich umfangreicher Tätigkeit beträgt das Honorar bis zu 44 Euro. Das Formbogengutachten oder ein Befundbericht mit kurzer gutachtlicher Äußerung wird mit 38 Euro vergütet. Diese Leistung wird, wenn sie außergewöhnlich umfangreich ist, mit bis zu 75 Euro vergütet.Damit werden nach fast 20 Jahren die Befundberichte, unter anderem auch für Versorgungsämter und andere öffentliche Leistungsträger - weg vom bisherigen Gebührenrahmen - angehoben und nunmehr einheitlich mit einem Festbetrag mit Erhöhungsmöglichkeit vergütet.
Volltext
Auf dem 12. Treffen des Arbeitskreises freiberuflicher psychiatrischer und psychologischer Sachverständiger am 26.02.2005 in Berlin wurden die bisherigen Erfahrungen mit der Anwendung des JVEG mit Herrn Bach, einem Kommentator des Gesetzes, diskutiert. Dabei sind folgende Überlegungen von Interesse:
Es sei sinnvoll, bei strittigen Honorareingruppierungen schon vor Erstellung des Gutachtens beim Gericht einen Antrag auf richterliche Entscheidung der Eingruppierung zu stellen. Dies hätte den Vorteil, daß keine Beschwerdegrenze von 200 € bestehe.
Für die Eingruppierung des Gutachtens in eine entsprechende Stufe sei die Anweisungsstelle und die dort arbeitenden Urkundsbeamten zuständig. Wenn man mit der Festsetzung nicht einverstanden sei, könne man eine richterliche Festsetzung nach § 4 JVEG beantragen.Eine ergänzende Stellungnahme zu einem bereits vorliegenden Gutachten dürfe nicht als Attest abgerechnet werden, sondern müsse genauso wie das Hauptgutachten mit dem entsprechenden Honorarsatz nach M1 bis M3 abgerechnet werden.
Es wird berichtet, daß Gerichte sich an die Sachverständigen gewandt und nachgefragt hätten, ob diese mit einer geringeren Honorierung als die bestehenden Honorarsätze M1 bis M3 zufrieden seien. Dabei berufe man sich auf eine entsprechende Regelung nach § 14 JVEG. Ein entsprechender Druck sei unzulässig. Es gebe jedoch keine Möglichkeiten sich dagegen zu wehren, außer daß man eine solche Vereinbarung nicht mittrage. Eine gerichtliche Entscheidung dazu könne nicht erwirkt werden.
Gutachten nach M2 bezögen sich immer auf einen Ist-Zustand. Bei retrospektiven oder prospektiven Betrachtungen, wie sie in der Regel in Strafverfahren vorkommen, lägen grundsätzlich die Vorraussetzungen für M3-Einstufungen vor.
Zur Abgrenzung Sachverständiger und sachverständiger Zeuge wird innerhalb des Kreises darauf hingewiesen, daß ein Zeuge nur über Wahrnehmungen berichten kann. So bald Schlußfolgerungen erfragt würden, handele man als Sachverständiger. Dies müsse in einem Prozeß deutlich gemacht und im Protokoll vermerkt werden.
Der Sachverständige habe Anspruch auf zeitgerechten Eingang der Vergütung. Es gebe entsprechende Erlasse der Landesjustizministerien vorrangig und zeitnah zu vergüten. Wenn Teilaspekte strittig seien, können unstrittige Teile vorab ausgezahlt werden. Sollte es zu Verzögerungen kommen, könnte der Sachverständige Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen.
Zum Aktenstudium wird berichtet, daß es gerichtliche Entscheidungen gebe, daß übersandte Akten auch durchgearbeitet werden müßten. Für 50 bis 150 Seiten könne eine Stunde abgerechnet werden. Hierzu gebe es unterschiedliche Gerichtsentscheidungen. Es wird empfohlen, die tatsächliche Zeit genau zu dokumentieren und aufzuschreiben.
Gutachten für die Einrichtung einer Betreuung können nach M2 abgerechnet werden. Komplexere Fragen wie zum Beispiel die Geschäftsfähigkeit seien eindeutig M3. Wichtig sei, was der Auftraggeber verlange. Dies sei maßgeblich. Sollten Fragestellungen zu verschiedenen Honorarstufen beantwortet werden, könne der höhere Honoraransatz berechnet werden. Ausnahme sei, daß die höhere Honorarstufe einen nur ganz geringen Anteil ausmache und die Höhervergütung unbillig sei. Der Argumentation einiger Teilnehmer, daß die Frage der Geschäftsfähigkeit eine zentrale in einem psychiatrischen Gutachten spiele, teilt der Kommentator und befürwortet insofern eine Einstufung nach M3, auch wenn viele andere Fragen im Gutachten gestellt werden.
Unterbringungsähnliche Maßnahmen wie Bettgitter würden bei der Erstbegutachtung nach M2 eingestuft, bei einer Nachbegutachtung nach M1. Würden dabei Fragen wie die Einwilligungsfähigkeit behandelt, erfolge die Einstufung nach M3.
Zur Einstufung bei einem Gutachten zum Einwilligungsvorbehalt: Sollte es um eine einfache Verlängerung eines Einwilligungsvorbehaltes gehen, sollte nach M1 honoriert werden. Bei einer ausführlichen Diskussion der Geschäftsfähigkeit soll jedoch nach M3 honoriert werden.
Sollte eine Betreuung nur vorläufig eingerichtet werden und dann ein Gutachten in der Hauptsache entschieden werden, werde nach M2 eingestuft. Es handele sich dabei nicht um eine Verlängerung der Betreuung nach M1. Hierzu hat es bspw. eine Entscheidung des Amtsgerichts Winsen gegeben. Die Wiedereinrichtung einer Betreuung wird nach M2 oder M3 abgerechnet und gilt nicht als Verlängerung einer Betreuung mit Vergütung durch M1.