desto kränker wird die Bevölkerung.
So Prof. Bert Rürup gestern auf der IT Trends Medizin. Er stellte die Frage: "Was kommt nach dem Gesundheitsfond?" und begann mit folgenden Thesen:
Eine Kostenexplosion in Gesundheitswesen habe es nie gegeben. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP liege seit 30 Jahren konstant bei 6% (derzeit 145 Milliarden Euro). Von einer Kostendynamik könne man nicht reden: die rund 200 Kostendämpfungsgesetze der Vergangenheit hätten also durchaus Wirkung gezeigt, und es seien etliche Effizienzreserven mobilisiert worden.
Die Beitragssätze seien dennoch von ursprünglich 9 auf jetzt 14 Prozent gestiegen. Die Beitragssatzexplosion sei jedoch nicht durch einen Ausgabenanstieg verursacht worden, sondern durch zahlreiche Verschiebebahnhöfe innerhalb des Systems der sozialen Sicherung.
Kostendämpfung dürfe kein Selbstzweck sein, denn steigende Gesundheitsausgaben seien - volkswirtschaftlich betrachtet - kein grundsätzliches Problem. Außer bei effizienzfeindlicher Organisation und bei falschen Finanzierungsgrundlagen.
Er sei zwar Anhänger der Prävention, aber niemand könne erwarten, dass das Gesundheitssystem dadurch billiger werde. Zwar erhöhe sich Lebensdauer und Lebensqualität, aber selbst die beste Prävention könne die Sterbewahrscheinlichkeit nicht unter 100% drücken. Und da die höchsten Ausgaben in den letzten beiden Lebensjahren anfielen, könne Prävention die Ausgaben nicht senken.
Im Gegenteil: Je effizienter das System, desto kränker die Bevölkerung.
Das deutsche System habe seine Vorzüge und seine Schwächen. Zu den Vorteilen zähle, dass die gesamte Bevölkerung Zugang zu einer Versorgung mit guter Qualität und kürzesten Wartezeiten habe. Es gebe, anders als in anderen Staaten, keine einkommens- oder altersabhängigen Zugangsbarrieren. Nachteilig seien die Trennung in einen ambulanten und in einen stationären Bereich, die unzureichende Transparenz und die Segmentierung des Marktes (so etwas gebe es sonst nur in Chile) durch eine Versicherungspflichtgrenze. Außerdem sei die Kopplung der Finanzierung an die Arbeitskosten zu kritisieren.
Die aktuelle "Jahrhundertreform" hinterlasse einen zwiespältigen Eindruck. Das GKV-WSG sei ausgabenseitig völlig in Ordnung, aber die Finanzierung sei völlig mißraten. In zähen politischen Verhandlungen seien die Nachteile unterschiedlicher Finanzierungsmodelle kombiniert worden, nämlich die Segmentierung des Marktes und die Verkopplung mit den Arbeitskosten.
Der Gesundheitsfond sei ein "ordnungspolitisches Neutrum", mit dem sich die Parteien fundamental unterschiedliche Handlungsalternativen für die Zeit nach den nächsten Wahlen offen gehalten hätten. Bei einem Regierungswechsel werde man dann über den Wechsel zur Bürgerversicherung oder zu einem Versicherungsmodell a la Niederlande zu entscheiden haben. Schlimm werde es nur, wenn die große Koalition eine weitere Legislaturperiode regieren müsse.
Die nächste Reform stehe also 2010 an. Auch dann sei keine große Lösung, kein "Big Bang" zu erwarten, denn Gesundheitspolitik bestehe grundsätzlich im Nachsteuern. Zu erwarten seien aber folgende Veränderungen:
Die duale Finanzierung der Krankenhäuser (steuerfinanzierte Investitionen und beitragsfinanzierte Betriebskosten) müsse durch eine Finanzierung aus einer Hand, die durch Komplexpauschalen abgegolten werde, abgelöst werden.
Die Sektoralisierung in einen ambulanten und einen stationären Teil müsse beendet werden. Hier befinde sich die letzte Effizienzreserve. Die Krankenhäuser müssten für die ambulante Versorgung geöffnet werden, und beide Sektoren müssten aus einer Hand gleichmäßig finanziert werden. Es gebe derzeit keine Belege für die Überlegenheit bestimmter Versorgungsformen und -strukturen, und nur im freien Wettbewerb "mit gleich langen Spießen" werde sich die beste Lösung durchsetzen.
Präsenzapotheken würden mit Apothekenketten um die beste Vertriebsstruktur konkurrieren müssen, wobei letztere daran gehindert werden müssten, Rosinenpickerei zu betreiben. So müssten auch Großhändler dann Notdienste leisten.
Die Notwendigkeit einer stärkeren, steuerlichen Kofinanzierung sei abzusehen. Der bekannte Zusatzbedarf sei jedoch bisher noch in keinem Haushaltsentwurf vorgesehen.
Der diesjährige Fachkongress IT-Trends Medizin / Health Telematics in Essen wurde heute u.a. von Herrn Redders, MAGS NRW, eingeleitet. Er hob die umfassende Modernisierung des Gesundheitswesens, die Effizienzsteigerungen und die massiven Einsparpoten
Aufgenommen: Sep 04, 09:22