Samstag, 29. Dezember 2007
Despair
Freitag, 28. Dezember 2007
Psychostress treibt Krankenstand
Nach Angaben des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen ist der Gesamtkrankenstand 2007 erstmals seit zwölf Jahren wieder leicht gewachsen. Seit Jahren nimmt die Zahl psychischer Erkrankungen aufgrund steigender Anforderungen am Arbeitsplatz zu, auch bei bei Akademikern und Managern: Erholungspausen sind weggefallen, der Zeitdruck nimmt zu.
Ständiger und schneller Wandel verbunden mit häufigen Unternehmensrestrukturierungen erhöhen die psychomentalen Anforderungen, psychisch bedingtes Krankheitsgeschehen nimmt weiter zu.
Donnerstag, 27. Dezember 2007
Die AOK-Systems-Rabattverträge: Sozialgericht vs. OLG
Jetzt bin ich aber verwirrt:
Nach AOK-Angaben hat das Sozialgericht Stuttgart entschieden, dass Rechtsstreitigkeiten zu den Arznei-Rabattverträgen vor den Sozialgerichten auszutragen sind. In der Sache sei das Ausschreibungsverfahren 2008/2009 des AOK-Systems nicht zu beanstanden.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hat (...) gegen die AOK-Rabattverträge entschieden. (...) Es wird festgestellt, dass das von der Vergabekammer ausgesprochene Zuschlagsverbot bis zu einem Beschluss des Vergabesenats gemäß § 121 GBW oder § 123 GWB – und zwar ungeachtet etwaiger anderslautender Entscheidungen der Sozialgerichte – fortdauert.“ Für ein abschließendes Urteil werde die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abgewartet. Die Sozialgerichte könnten in der Sache hingegen nicht angerufen werden, heißt es.
Welche Gerichtsbarkeit ist denn jetzt zuständig? Wann einigen die sich? Ist das "AOK-System" öffentlicher Auftraggeber oder Wirtschaftsunternehmen? Was sagt eigentlich das Kartellrecht dazu? Wer stellt die Systemfrage?
Mittwoch, 26. Dezember 2007
Die Präventionsräterepublik
Das Gesundheitsministerium hat im November einen Referentenentwurf für ein neues Präventionsgesetz vorgestellt. Unter anderem sollen ein "Nationaler Präventionsrat" nebst Beirat sowie diverse "Regionale Präventionsräte" gegründet werden.
Deutschland auf dem Weg in die Räterepublik? Gar in den Rätekommunismus? Hat die Gesundheitsministerin ihr basisdemokratisches Herz für die Selbstverwaltung entdeckt?
Räte sind idealerweise demokratisch legitimiert und rechenschaftspflichtig. Das, was hier geplant ist, erweckt den Verdacht einer weiteren Bürokratie- und Postenvermehrung ohne ausreichende demokratische Legitimation. Dummerweise ist der Referentenentwurf irgendwie nicht auffindbar,
und das Ministerium ist abgetaucht:
Also kann man keine Details überprüfen.
Edit 27.12.2007: Natürlich ist das BMG nicht abgetaucht. Gesundheit Berlin hat nur den falschen Link hinterlegt und ich hab's nicht gemerkt. Mea culpa. Aber den Referentenentwurf gibt's da auch nicht.
Andere Ministerien sind von dem ominösen Entwurf gar nicht begeistert. Sie warnen vor „erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten“, verlangen eine „umfassende Überarbeitung und Ergänzung“ des Entwurfs und weisen auf verfassungsrechtliche Schwierigkeiten durch die geplante Mischverwaltung bei den Präventionsräten hin.
Schlafstörungen
Gibt es nicht mehr. Das heisst jetzt: nichterholsamer Schlaf! Gleichwohl leiden etwa 25% der Bevölkerung zumindest vorübergehend daran.
In psychiatrischen Praxen wird häufig über Ein- und Durchschlafstörungen oder über frühmorgendliches Erwachen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Tagesbefindlichkeit geklagt, denn bei den meisten psychischen Erkrankungen ist der Nachtschlaf gestört. Umgekehrt können Schlafstörungen zu psychischen Erkrankungen (Depression, Sucht) führen.
Die Leitlinie „Nichterholsamer Schlaf“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin soll helfen, den Umgang mit schlafgestörten Patienten zu erleichtern.
Am Anfang steht die Aufklärung über Schlaf-Wach-Rhythmik, Schlafbedürfnis und Schlaffähigkeit.
Das Bedürfnis nach Schlaf und die Schlaffähigkeit etwa variieren bei Gesunden zwischen 4 und 10 Stunden. Mit zunehmendem Alter werden die Tiefschlafanteile seltener, der Schlaf wird als leichter und störanfälliger empfunden. Manchmal besteht die unrealistische Erwartung, mit 80 Jahren noch 8 Stunden durchgehend und ungestört schlafen zu wollen. Solche und ähnliche Annahmen über "richtigen" Schlaf müssen korrigiert werden.
"Schlafstörungen" vollständig lesen »Behinderung, Ausweis und Nachteilsausgleich
Die nachstehenden Stichworte sind zwei Broschüren des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe von August 2005 entnommen: „Behinderung und Ausweis“ (pdf, 17.1 M) und „Nachteilsausgleiche“ (pdf, 1 M). Die Broschüren bekommen Sie auch beim örtlichen Versorgungsamt. Die folgenden Angaben sind ohne Gewähr und ersetzen keine individuelle Beratung!
Behinderung
Menschen gelten als behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Normale Alterserscheinungen und vorübergehende Erkrankungen werden nicht als Behinderung anerkannt.
Die Feststellung einer Behinderung muss formlos beim örtlichen Versorgungsamt beantragt werden. Dabei kommt es auf die Auswirkung der Beeinträchtigungen an, die durch eine Gesundheitsstörung verursacht werden.
Auch der Arzt sollte in seiner Antwort an das Versorgungsamt nicht nur auf die Diagnose der Gesundheitsstörung eingehen, sondern die Auswirkungen beschreiben. Dummerweise zahlt ihm das Versorgungsamt gerade mal für die Mitteilung einer Diagnose…
Der Grad der Behinderung (GdB) wird nach Zehnergraden von 20 bis 100 festgestellt. Der Begriff „GdB“ bezieht sich auf die Auswirkung einer Behinderung in allen Lebensbereichen und nicht nur auf Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben.
Die Angabe des GdB erfolgt nach den vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 2008 neu herausgegebenen „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP; pdf, 4.7 M). Also nicht ganz unvoreingenommen…
Wenn ein GdB von mindestens 50 festgestellt wurde, bekommt man einen Ausweis. Bei einem GdB von 30 oder 40 kann der Feststellungsbescheid auch dem Arbeitsamt vorgelegt werden, wenn eine Gleichstellung beantragt werden soll.
"Behinderung, Ausweis und Nachteilsausgleich" vollständig lesen »Freitag, 21. Dezember 2007
Über die Abschaffung der KV durch die AOK
Die AOK Baden-Württemberg hat jetzt Ärzten, die in Medi-Verbund und Hausärztlicher Vertragsgemeinschaft organisiert sind, den Zuschlag für die flächendeckende Versorgung erteilt und sich damit aus dem über die Kassenärztliche Vereinigung vermittelten Sicherstellungsauftrag verabschiedet.
Für KV-Funktionäre stellt dieser Schritt eine ernste Bedrohung ihrer eigenen Existenz dar und sie protestieren daher entschieden gegen das neue Vertragsmodell.
Die Feststellung von AOK-Chef Ahrens, dass eine Qualitätssteigerung im Gesundheitssystem nur ausserhalb antiquierter Vertragsstrukturen möglich sei, ist jedoch ausgesprochen zu begrüßen. Es scheint sich mittlerweile auch bei der AOK herumgesprochen zu haben, dass die Versorgungsqualität in Zeiten von Global- und Individualbudgets (und anderer restriktiver Maßnahmen) nicht mehr zu halten ist.
Sein Ziel, beispielsweise in einen direkten Vertragswettbewerb mit der PKV einzutreten, bietet tatsächlich die Chance, veraltete Strukturen aufzubrechen und neue Dimensionen der Qualitätssteigerung zu eröffnen.
Wie ihm aus der Veränderung der Verwaltungskosten seiner eigenen Institution in Zusammenhang mit der Qualitätssteigerung ihres eigenen Serviceangebotes deutlich werden muss, hat Qualität ihren Preis.
Ich begrüße daher ebenfalls ausdrücklich seine zwischen den Zeilen zu lesende Feststellung, dass eine Qualitätssteigerung bei der medizinischen Behandlung auch mit einer angemessenen Honorierung dieser Dienstleistung einher gehen muss, und dass er das Sachleistungssystem für ebenso überholt hält, wie viele Ärzte.
Die Zukunft liegt in alternativen Vertragsformen und in der Öffnung des Marktes, hin zu einer transparenten, den heutigen Verhältnissen gerecht werdenden Lösung, die obendrein noch eine längst überfällige Steuerungswirkung hat:
der einzelvertraglichen Beziehung zwischen Leistungsnehmer und Leistungsanbieter.
Herr Hoberg, ebenfalls AOK, äußert sich - anders als Herr Ahrens, der seinerseits nichts zur Vergütung sagt - nicht zur Qualität der Versorgung:
Unser Ziel ist, die Vergütungshöhe für den ambulanten Bereich kostenneutral zu sichern und damit die Beiträge stabil zu halten.
Es ist relativ unbedeutend, wie diese beiden Vorstandsmitglieder der AOK ihre divergierenden Interessen unter einen Hut bringen.
Es ist aber relativ bedeutend, dass sich die AOK auf ein nicht ganz risikoloses Experiment mit ungewissem Ausgang und mit ungeklärten Rechtsfolgen (Stichwort: Kostenerstattung ausserhalb von BaWü ja/nein?) einlässt und sich nebenbei vom "bewährten System" der Sachleistung via KV verabschiedet.
Das hätten Ärzte allein nie erreicht.
Und dann will sich die AOK noch dem europäischen Krankenversicherungsmarkt stellen und tatsächlich den partiellen Wechsel von einem umlage- zu einem kapitalfinanzierten System vollziehen. Was ist dagegen einzuwenden?
Mit zunehmendem Einfluss von Marktgesetzen wird dann immer deutlicher werden, dass auch die AOK dem Prinzip "pay for performance" nicht ausweichen kann und dass Qualitätssteigerungen nicht kostenneutral erzwungen werden können. Oder anders herum: dass das bedingungslose Primat der Beitragssatzsstabilität zwangsläufig zu weiteren Qualitätseinbußen führen wird.
Insofern habe ich die ganz und gar nicht unbegründete Hoffnung, dass jeder radikale Eingriff in das überholte System den Innovationsdruck durch die und auf die Leistungsträger massiv erhöhen und zu den grundlegenden Veränderungen führen wird, zu denen die insuffiziente Politik nicht fähig war und ist.
Mittwoch, 19. Dezember 2007
Auch Krankenkassen müssen sich am Vergaberecht orientieren
Heute berichtet apotheke adhoc, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die AOK-Rabattverträge entschieden habe. Demnach dürfe die AOK vorerst keine weiteren Rabattverträge abschließen.
Das von der Vergabekammer ausgesprochene Zuschlagsverbot gelte bis zu einem Beschluss des Vergabesenats, und zwar ungeachtet etwaiger anderslautender Entscheidungen der Sozialgerichte. Für ein abschließendes Urteil werde die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abgewartet. Die Sozialgerichte könnten in der Sache hingegen nicht angerufen werden.
Dienstag, 18. Dezember 2007
Keine Ruhe um Marco vs. Bild des Jahres
Über den redaktionellen Inhalt der WZ kann man geteilter Meinung sein, aber ich bin ein absoluter Fan des Layouters. Das hat er sich heute geliefert:
Ich frage mich ernsthaft, ob das Zufall oder Absicht war.
Effektive Spargesetze
Die Krankenkassen geben immer mehr Geld für Arzneimittel aus. 1993 waren es noch 14,2 Milliarden Euro, 2006 fast das Doppelte. Die DAK gibt 2007 nochmals 7,5% mehr aus.
Dabei wurde 2006 das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz - AVWG) installiert. Ich frage mich, wessen Wirtschaftlichkeit damit am Standort Deutschland verbessert werden soll. Jedenfalls gehen alle Sparbemühungen von Ärzten (Verordnung von Generika, Vermeidung von Me-Too-Präparaten, Bonusmalus-Regelungen, Richtgrößenvereinbarungen), Apothekern und Kassen (Rabattverträge) offenbar ins Leere, wenn 2007 allein die Mehrwertsteuererhöhung mit einer Ausgabensteigerung von 3 Prozentpunkten zuschlägt.
Unermüdlich verspricht die Politik Wirtschaftlichkeit. Wieso verspricht sie sich nur andauernd?