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Die elektronische Patientenakte

Lauterbach zum Zweiten (Thema Beratungsresistenz):

Er hat uns zu verstehen gegeben, dass diese Akte kommt – komme was wolle.

Chaos Computer Club kritisiert Lauterbach wegen elektronischer Patientenakte. stern.de 15.1.2025


Im Gegensatz zur hohen bis sehr hohen Gefährdungslage Deutschlands ausländische staatliche Organisationen – sprich Geheimdienste – für die Gematik keine relevante Bedrohung dar. Und dies entgegen einer gleichlautenden Bedrohungseinschätzung im Abschlussbericht des Fraunhofer-Instituts (SIT) zur "ePA für alle".

Hoffnung als Strategie: Kommentar zur unsicheren elektronischen Patientenakte (ePA). Kuketz Blog 26.1.2025


Bei einem Datenschutzvorfall bei dem zur Bundesdruckerei-Gruppe gehörenden Unternehmen D-Trust sind personenbezogene Daten von mehr als 10.000 Ärzten ausgelesen worden.

D-Trust: Daten von mindestens 10.000 Ärzten ausgelesen. Ärzteblatt 30.1.2025

Hinweis: D-Trust stellt den elektronischen Praxisausweis her, mit dem sich Praxen oder Krankenhäuser für den Zugriff auf Daten im Gesundheitswesen autorisieren.


Ein massives Datenleck betrifft potenziell hunderttausende Patienten der ZAR-Reha-Kliniken in ganz Deutschland. Abrufbar waren unter anderem hochsensible medizinische Berichte. Darin sind sensible Angaben über die Lebensumstände und die gesundheitliche Verfassung enthalten.

Datenleck in Reha-Kliniken: Hunderttausende Patienten betroffen. heise.de 30.1.2025


Die Hacker haben Daten durchgesickert, die weitaus sensibler sind, als ich dachte. Es sind konkrete Informationen über die Gesundheit der Menschen, und sie zeigen deutlich, wie ernst die Lage ist. Dies sei in der Kategorie "sehr kritisch".

Dybt følsomme patientoplysninger fra Alles Lægehus lækket online. dr 21.1.2025


Die konkrete Zahl, wie viele Todesfälle durch Medikamentenunverträglichkeit genau jährlich in Deutschland auftreten und damit anteilig vermieden werden könnten, ist nicht genau belegbar.

Alles gleichzeitig. Netzpolitik.org 12.1.2025


Haben Sie kürzlich eine F-Diagnose bekommen? Aufpassen!

Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, zum Thema Stigmatisierung psychischer Erkrankungen:

Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass die Polizei direkten Zugriff auf Gesundheitsdaten bekommen kann.

Ermittler fordern weniger Datenschutz im Kampf gegen Attentate. WDR 12.1.2025

Schnellere Zwangsunterbringungen psychotisch kranker Menschen, leichterer Datenaustausch mit Sicherheitsbehörden – nach dem Messerangriff in Aschaffenburg drängt die CSU auf neue Regeln.

CSU will Umgang mit psychotisch kranken Menschen ändern. br24 27.1.2025

Geld ist nicht das Problem. Aus meiner Sicht ist es der Datenschutz. Mögliche Diagnosen von potenziell gewaltbereiten Patienten dürfen nicht weitergegeben werden. Also kann der Staat auch keine Klinik für diese Patienten einrichten, wo sie fokussiert behandelt werden können.

Wir verlieren die Kontrolle über den Patienten. t-online 29.1.2025

Carsten Linnemann (CDU) sprach davon, es sei "ein großes Defizit in Deutschland", dass es keine "Raster" für psychisch kranke Gewalttäter geben würde. Neben Registern für Rechtsextreme und Islamisten bräuchte man auch ein Register für psychisch kranke Gewalttäter.

Wenn der Staat die elektronische Patientenakte lesen will. heise.de 20.1.2025

Ein Schutz vor Beschlagnahme der ePA-Daten durch Ermittlungsbehörden ist bisher nicht vorgesehen, anders als bei der Gesundheitskarte. Die Schweigepflicht aber, daran muss aktuell erinnert werden, ist von grundlegender Bedeutung für das Vertrauensverhältnis im Behandlungsraum.

Debatte um elektronische Patientenakte nimmt Fahrt auf: „Besorgniserregenden Sicherheitsprobleme“. Frankfurter Rundschau 22.1.2025


Daten zu psychiatrischen oder psychotherapeutischen Diagnosen und Behandlungen sind besonders sensibel. Sie werden auch in der elektronischen Patientenakte gespeichert. Was Betroffene darüber wissen sollten und wie sie das verhindern können.

Elektronische Patientenakte: Wo für Menschen mit psychischer Erkrankung Gefahren lauern. noz 24.1.2025


Woke bedeutet "aufgewacht". Im Zusammenhang eines "erwachten" Bewusstseins für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus wurde es zunächst in der afroamerikanischen Bewegung ab den 1930er Jahren bekannt. Die Black Lives Matter Bewegung in den USA hat es ab 2014 wieder benutzt, mit "stay woke" im Sinne von "wachsam bleiben": eine Warnung vor Polizeiübergriffen oder als Aufruf, wählen zu gehen. Ebenso dient es der Aufforderung, sensibel zu sein und entschlossen gegen systembedingte Benachteiligungen vorzugehen.

Was bedeutet Woke? Friedrich-Ebert-Stiftung 31.1.2025


Terminprobleme

Aktuell wird wieder geklagt, dass (Kassen-)PatientInnen Probleme haben, Facharzttermine zu bekommen. Woran das wohl liegt?

How it started:

Lauterbach wolle den Praxen nicht nur eine Nullrunde zumuten, sondern noch viel schlimmer, ihnen das extrabudgetäre Honorar für die TSVG-Neu-Patienten streichen. Es ist zu befürchten, dass viele Praxen einen Aufnahmestopp verhängen und viele Patientinnen und Patienten wieder länger auf Termine warten müssen.

GKV-Spargesetz: Lauterbach erntet Kritik von allen Seiten. Ärzteblatt 5.7.2022

How it's going:

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat schnellere Facharzt-Termine für gesetzlich Versicherte gefordert. Setze die Ärzteschaft das nicht um, werde es Sanktionen in Form von Honorarkürzungen geben.

Lauterbach droht mit Honorarkürzungen. aend 31.1.2025 (Paywall)

Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann Krankenhausminister Lauterbach diese Idee nachahmt, um seiner Vernachlässigung der ambulanten Medizin zu begegnen:

In Italien hat der Bürgermeister eines kleinen Ortes das Kranksein kurzerhand für verboten erklärt. Der Grund: Er findet für seine 1300-Seelen-Gemeinde keinen Arzt mehr.

In einem italienischen Dorf ist das Kranksein verboten. rnd 6.1.2025


Hütchenspiele und die Sprechende-Medizin-Tombola

Kolumne von Dr. Matthias Soyka

Neulich vorm Hauptbahnhof. Ein etwas abgerissener Mann fordert mich zu einem kleinen Spiel auf. Wo liegt die kleine Kugel? Unter dem rechten Hütchen, worunter er sie soeben gelegt hat? Oder links, wo er das Hütchen gerade hingeschoben hat? Vielleicht auch in der Mitte? Oder doch wieder rechts?

Er schiebt die Hütchen in rasender und faszinierender Schnelligkeit hin und her. Und wenn man kein Mitleid mit ihm hat – oder es nur einfach mal probieren möchte, mit seiner Verschiebetechnik mitzuhalten – dann lässt man es vernünftigerweise lieber bleiben und setzt seine Euros nicht aufs Spiel, in dem man versucht, hier mitzuspielen und in der Geschwindigkeit seiner Taschenspielertricks eine Gelegenheit für den eigenen Vorteil zu sehen

Warum sollte man es bei Jens Spahn anders halten?

Das TSVG verspricht außerbudgetäre Bezahlung für alle neuen Fälle, die ein Arzt behandelt. An das Budget haben sich alle so gewöhnt, dass keiner mehr fragt, warum nicht auch die anderen Fälle vom Budget befreit werden, wenn man im Gesundheitsministerium der Meinung ist, die Ärzte würden zu wenig arbeiten. Doch kaum ist diese Kugel unter den Hut gelegt, wird dieser schon hin und her geschoben und hoppla – die angeblich vom Budget befreiten Fällen werden „bereinigt“. Und noch eine Handbewegung: Das Budget, auf das sich der Arzt zumindest ein bißchen verlassen kann, wird auch im nächsten Jahr kleiner sein als es vorher war. Wer 2020 viele Neupatienten hat, muss auch 2021 viele haben, sonst bekommt er seine Arbeit für die Altpatienten nicht bezahlt.

Der Zuschauer schüttelt den Kopf über soviel Verrücktheit. Das hätte er nicht tun sollen, denn schon wieder werden die Hütchen hin und her geschoben. Plötzlich schiebt ein Mitspieler noch ein altes Hütchen aus dem Jahr 2006 auf den Tisch. Die sprechende Medizin soll gefördert werden.

Deshalb nimmt man den Ärzten, die mit ihren Patienten am meisten sprechen, erstmal etwas von ihrem Einkommen weg, in dem man apparative Leistungen schlechter bezahlt als Leistungen der sprechenden Medizin. Auch Akupunkturleistungen werden „abgewertet“. Komisch denkt der Zuschauer des Hütchenspiels – seit wann ist eine dünne Akupunkturnadel ein Apparat. Und redet man mit den Patienten nicht bei der Akupunktur? Seis drum. Ultraschall wird auch weniger bezahlt, wahrscheinlich soll man jetzt beim Ultraschall mit dem Patienten nicht mehr reden, sondern kurz „Passt schon“ murmeln, wenn alles in Ordnung war und bedenklich mit dem Kopf wackeln, wenn der Befund Anlass zur Sorge gibt.

Hier wird nichts gefördert, sondern das vorhandene Geld ein wenig rumgerührt bis einem schwindlig wird – also auch hier wieder Hütchenspiel par exellence.

Noch ein Schwung mit dem mittleren Hütchen: Anästhesisten erhalten bei der Umverteilung zur Förderung der sprechenden Medizin die höchsten Zuwachsraten. Hoffentlich fühlen sich die Operateure nicht gestört, wenn die Anästhesiologen jetzt soviel mit ihren Patienten reden, während sie in der Narkose liegen.

Für das ganze müssen noch die Honorarverteilungsmaßstäbe jeder einzelnen KV angepasst werden. Das verstehen sowieso nur ganz wenige und ermöglicht noch ein paar zusätzliche Hutschiebungen extra.

Am Ende steht der grundversorgende Arzt da, mit seinen ehemaligen Neupatienten. Vielleicht hat er ein paar Euro mehr in diesem Jahr wegen der Neupatienten und ein paar weniger im nächsten wegen der Altpatienten. Vielleicht hat er Glück in der Sprechenden-Medizin-Tombola oder auch Pech – wer weiß es schon genau. Sicher ist nur, dass die ärztlichen Umsätze auch in diesem Jahr nicht wesentlich, nicht inflationsangepasst und vor allem nicht ausreichend steigen werden. Viele der potentiellen Opfer werden sich am Ende freuen, dass sie bei dem Hütchenspiel nicht allzuviel Geld verloren haben oder sogar zum Anködern einen kleinen Gewinn machen durften.

Und während alle fasziniert von seinem Tempo sind, pfeift der Hütchenspieler durch die Zähne: „But what's puzzling you - Is the nature of my game!“

Er schiebt so virtuos, dass kaum jemand bemerkt, dass der wahre Verlust beim Hütchenspiel viel größer ist als der von Geld: Wer daran teilnimmt zahlt mit erhöhtem Arbeitsdruck, Verlust von Lebenszeit, Arbeitsautonomie, von Freiheit und Zufriedenheit.

Man sollte da nicht mitspielen, sondern sich an ein Merkblatt der Berliner Polizei halten. Diese rät „Hütchenspieler meiden, denn Gewinnchancen gibt es nicht“ (zitiert nach Wikipedia). Die Polizei warnt außerdem: „In Berlin trifft man die Täter meist in Berlin-Mitte und in der westlichen City an.“ Genau genommen müsste es heißen: in der Friedrichstraße 108

Der Orthopäde und Buchautor Dr. Matthias Soyka aus Hamburg liebt das Schreiben ebenso wie seinen Beruf als Arzt. Doch die Absurditäten unseres Gesundheitssystems führen regelmäßig dazu, dass er beides verbindet. Im änd veröffentlicht der Facharzt regelmäßig einige seiner Denkanstöße.

26.01.2020 aend.de 13:22:39, Autor: js - mit freundlicher Gnehmigung des aend

Goldgräberstimmung bis 2010 - Repost vom 9.4.2006

Die flächendeckende Einführung der elektronischen Gesundheitskarte dürfte frühestens 2008, womöglich jedoch erst 2010 abgeschlossen sein (so der für die Gesundheitskarte zuständige Siemens-Manager Günter Braun). Dennoch sei die IT-Branche in "Goldgräberstimmung", weil man hoffe, an der Telematik-Infrastruktur verdienen zu können.

Ein IBM-Manager wird mit den Worten zitiert: "Ich bin froh, dass ich nichts mehr mit der Gesundheitskarte zu tun habe." IBM war vor allem im Rahmen des bIT4health-Projektes an der Ausformulierung der Rahmenarchitektur beteiligt und muss nun zusehen, wie Abstriche und Kompromisse die angestrebten Spareffekte zunichte machen.

Ähnlich äußerte sich ein Sprecher der Techniker-Krankenkasse, der die Karte in der ersten Stufe (Pflichtdaten plus eventuell das elektronische Rezept) als "relativ doof" charakterisierte.

Elektronische Gesundheitskarte: 2006, 2008, 2010 ::: Heise 13.7.2005

Erstveröffentlichung: 9.4.2006 auf www.diekrankheitskarte.de

Zugriff auf intime Daten - Repost vom 9.4.2006

Die elektronische Gesundheitskarte ist wirklich Klasse! Endlich werde ich - zusammen mit anderen, die Sie nicht kennen - ab Januar 2006 ohne Verzögerung auf Ihre intimen Daten zugreifen können, um Ihre Behandlung ökonomischer zu gestalten. Um Monate verspätete Arztbriefe gehören der Vergangenheit an, ich weiss, was Ihr Hausarzt verordnet hat, und die Rezepte müssen nicht mehr auf Papier ausgedruckt und zur Apotheke getragen werden - herrlich!

Was mir daran nicht geheuer ist?

  • Ich befürchte den Bruch des Arztgeheimnisses.
  • Die Einführung wird nicht zwei, sondern mindestens vier Milliarden Euro (Ihre und meine) kosten.
  • Der Praxisbetrieb wird behindert, nicht vereinfacht.
  • Krankenkassen, -versicherungen, Gesundheitsökonomen, Funktionäre und Bürokraten werden Ihre Daten gegen Sie verwenden.
  • Der totalen Überwachung und dem Datenmißbrauch werden Tür und Tor geöffnet.
  • Gleichzeitig sind Ihre Daten nicht vor Manipulationen durch Kriminelle geschützt.
  • Berechtigte Einwände und Bedenken werden zielstrebig ignoriert.
  • Das ganze System scheint darauf ausgerichtet, Ärzte und Patienten umfassend zu kontrollieren und Ärzte bei ihrer Berufsausübung zu behindern.
  • Gesundheitsministerin Schmidt erklärte, dass es Ziel aller Beteiligten sein müsse, Ärzte und Patienten in den Praxen zu vergrämen. (Glauben Sie das wirklich???

Erstveröffentlichung: 9.4.2006 auf www.diekrankheitskarte.de

Grüne fordern Bleiberecht für Flüchtlinge mit Pflegejobs

"Wir brauchen eine reguläre Aufenthaltsgenehmigung für Pflege- und die Helferberufe als Einstieg in ein Einwanderungsgesetz", sagte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck.

Diese Formulierung - isoliert betrachtet - ist ja gar nicht so falsch: wir sollten das Zuwanderungsgesetz von 2005, das mittlerweile von der Realität überholt sein dürfte, endlich überarbeiten. Wenn da nicht die haltlose Verknüpfung mit dem aufenthaltsrechtlichen Status von Flüchtlingen wäre. Wie ärgerlich, dass die gar nicht arbeiten dürfen, bis dieser Status geklärt ist. Das ist kompliziert und kann Jahre dauern... Und die Fehlanreize, die mit solchen Konstruktionen in die Welt gesetzt werden, tragen ganz sicher nicht zur gesetzlich verbürgten Qualitätssicherung in der Alten- und Krankenpflege bei.

Woran erinnert mich das eigentlich? Ach ja, hier: Langzeitarbeitslose sollen Demenzkranke betreuen. Das war vor zehn Jahren eine Schnapsidee von Frau Schmidt und ihrem damaligen Vater, um die Hartzer aus dem Faulenzermodus zu kicken. Seit 2010 nie wieder was von gehört.

Interessant, wie Politiker immer wieder versuchen, ihr eigenes ordnungspolitisches Versagen mit aberwitzigen Ablenkungsmanövern zu kaschieren. Dabei wäre es doch so einfach: zahlt den Pflegenden DEUTLICH mehr Geld, dann füllen sich die 35.000 unbesetzten Stellen wie von selbst.

Müssen Sie lange auf einen Termin beim Psychiater warten?

Müssen Sie eigentlich gar nicht. Denn das wissenschaftliche Institut der AOK (ab Seite 96) stellt auf dem Papier eine gravierende Überversorgung mit Nervenärzten fest:

Es praktizieren somit gut ein Drittel mehr Nervenärzte in der vertragsärztlichen Versorgung als in der Bedarfsplanung vorgesehen.

Es sollte also keinen Mangel an freien Behandlungskapazitäten geben. Schon gar nicht im Bergischen Land:

Solingen ist mit 286%, Remscheid mit 241% Überversorgung regelrecht mit Nervenärzten gepflastert.

Bundesweit fehlen gerade mal 1,4 Ärzte; in den überversorgten Gebieten gibt es sogar 1.235 zuviel. Eine Unterversorgung besteht nirgendwo!

Die von Minister Gröhe verordneten Terminservicestellen sind also zumindest bei uns völlig überflüssig. Wenn Sie mal mit offenen Augen durch die Stadt gehen, werden Sie an jeder Ecke mindestens einen Nervenarzt oder Psychiater sehen, der verzweifelt seine freien Termine anbietet...

P.S.: Bei den Psychotherapeuten besteht bundesweit eine Überversorgung von 160%. Das mit den durchschnittlich genannten Wartezeiten von 6 Monaten auf einen freien Therapieplatz dürfte also ebenfalls nur ein Phantom sein.

So schön kann Planwirtschaft sein!

Synchronisation von Nachricht und Werbung

Wie das Anzeigenaufkommen von Unternehmen mit ihrer Darstellung im Spiegel und im Focus korreliert.

Der Spiegel berichtet von Zahlungen der Pharmaindustrie an Ärzte und zitiert einen Forscher, "dass Ärzte, die häufig Pharmareferenten empfangen, auch mehr Medikamente verschreiben. Dazu kommt, dass Ärzte, die auf pharmagesponserte Fortbildungen gehen, im Schnitt höherpreisige Präparate verordnen." Zudem betonten industrienahe Ärzte die Vorteile von Medikamenten und neigten dazu, Risiken herunterzuspielen.

Ich zitiere ergänzend aus einer Studie des Instituts für Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Dresden:

Im Rahmen der vorliegenden Studie wird erstmals untersucht, wie die Darstellung von Unternehmen in den beiden führenden deutschen politischen Wochenzeitschriften Der Spiegel und Focus mit dem Umfang von Inseraten zusammenhängt, die Unternehmen in diesen beiden Medien schalten. (...) Als zentrales Ergebnis zeigt sich, dass über Unternehmen sowohl im Spiegel als auch im Focus erstens häufiger, zweitens freundlicher, drittens mit mehr Produktnennungen berichtet wird, je mehr Anzeigen diese Unternehmen schalten.

Kein weiterer Kommentar.

Disclaimer: Nachdem es bis 2015 Terminzettel und Kugelschreiber gegeben hat, erhalte ich seitdem keine Zuwendungen der Pharmaindustrie mehr.

"Jeder zweite Deutsche versteht seinen Arzt nicht" – so irreführend wird über eine Studie berichtet

Die Uni Bielefeld hat im Auftrag der AOK eine Studie zur „Gesundheitskompetenz vulnerabler Bevölkerungsgruppen“ gemacht. Die Berichte darüber sind irreführend, und die politischen Statements dazu mehr als fragwürdig.

1. Zu den Fakten: die Studie gibt es hier als Download (pdf).

Befragt wurden jeweils 500 Jugendliche ohne Hauptschulabschluss und Menschen ab 65, jeweils zur Hälfte mit Migrationshintergrund. Wenig überraschend ist das Ergebnis,

"dass die Gesundheitskompetenz der befragten sozial benachteiligten Gruppen deutlich unter der durchschnittlichen Gesundheitskompetenz der Allgemeinbevölkerung liegt" (Seite 25) - Lese- und Rechenkenntnisse und damit die funktionale Gesundheitskompetenz seien also eher gering. Hinzu kommen sprachliche Hindernisse: je besser die Deutschkenntnisse, desto höher die Gesundheitskompetenz (Seite 55).

Für eine höhere Gesundheitskompetenz braucht man also zusammengefasst (Captain Obvious lässt grüßen):

  • ein höheres Bildungsniveau
  • bessere Sprachkenntnisse

2. Können Ärzte den vulnerablen Gruppen trotzdem verständlich erklären, was zu tun ist? Ja, können sie:

Der Hausarzt ist für alle Befragten die erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen. Insgesamt verstehen rund 80% der Befragten die Anweisungen zur Einnahme von Medikamenten (Seite 14, Item 8), und 70% verstehen, was ihr Arzt ihnen sagt (Item 5), und welche Entscheidungen zu treffen sind (Item 13).

Nur jeder Vierte der Befragten aus den vulnerablen Gruppen versteht also seinen Arzt nicht.

3. Wie wird nun über die Studie berichtet?

Jeder zweite Deutsche versteht seinen Arzt nicht - Augsburger Allgemeine

Jeder Zweite versteht seinen Arzt nicht – Tagesspiegel

Viele Patienten in Deutschland verstehen ihre Ärzte nicht – WAZ

Mehr als die Hälfte der Deutschen hat Schwierigkeiten, die Erklärungen seines Arztes zu verstehen – Frankfurter Rundschau

Schreiben die voneinander ab? Professionelle Echolalie?

Nochmal zur Korrektur:

Ein Viertel (jeder Vierte, 25%) der Befragten aus den vulnerablen Gruppen hat Verständnisprobleme – und nicht „mehr als die Hälfte aller Deutschen“: im Durchschnitt ist deren Gesundheitskompetenz nämlich höher als bei den vulnerablen Gruppen, sodass die Verständnisprobleme insgesamt bei deutlich unter 25% liegen dürften.

4. Was sagt unser Gesundheitsminister denn dazu?

Auf seiner Homepage drückt er sich noch versöhnlich aus:

"Wichtig ist vor allem auch das Arzt-Patienten-Gespräch, um Patienten die Diagnose und Behandlung verständlich zu erklären. Die sprechende Medizin muss deshalb in der Ausbildung und vor allem auch der Weiterbildung von Ärzten und Pflegenden eine stärkere Rolle spielen."

In der Laienpresse hört er sich dann so an:

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) forderte "ein Recht auf Verständlichkeit". Es sei nicht nötig, komplizierte Zusammenhänge so auszudrücken, dass Menschen sie nicht verstehen.“ (Augsburger Allgemeine)

Es gebe ein "Recht auf Verständlichkeit", betonte der Minister. Um komplexe Sachverhalte darzustellen, müsse man nicht in Fachchinesisch verfallen. Aber womöglich gehe es manchem Mediziner mit der Verwendung von schwer verständlichem Vokabular ja auch um eine "Demonstration von Herrschaftswissen". (Tagesspiegel)

Ein verständlicher Satz eines Arztes muss nicht besser bezahlt werden als ein unverständlicher. Auch ein verständliches Gespräch muss nicht länger sein als ein unverständliches.“ (WAZ)

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) forderte „ein Recht auf Verständlichkeit“. (…) Gröhe lehnt es in diesem Zusammenhang ab, den Medizinern für das bessere Eingehen auf die Bedürfnisse der Patienten mehr Geld zu zahlen. „Ein verständlicher Satz muss nicht besser vergütet werden als ein unverständlicher“, so der CDU-Politiker. (Frankfurter Rundschau)

Professionelles Danebenreden. Krass.

5. Mein Fazit:

  • Deutschland braucht mehr Bildung.
  • Zeitungen sollten die vorliegenden, leicht zu recherchierenden Daten richtig darstellen.
  • Der Gesundheitsminister sollte seinen abwertenden Tonfall überdenken und bekennen, dass er für die ausreichende finanzielle Ausstattung der sprechenden Medizin verantwortlich ist.