Skip to content

Wahnsinnswoche 2017:46

In dieser Woche 144 Patientenkontakte und 14 Terminausfälle. Vor Weihnachten habe ich jetzt keine Termine mehr frei.


Die Justiz ermittelt bei der AOK wegen des Verdachts auf Betrug zu Lasten des Gesundheitsfonds und damit zu Lasten der Beitragszahler.


Praxen in NRW sollen Materialien der modernen Wundversorgung aus eigener Tasche bezahlen. Im Einzelfall belaufen sich die Summen in den 1.300 Prüfanträgen der Kranken Kassen für das vierte Quartal 2016 auf bis zu 20.500 Euro.


Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mal wieder. Bei einem Gutachten fand ich eine auffallende Diskrepanz zwischen dem von Versicherer A beauftragten Gutachter A (der volle Berufsunfähigkeit attestierte) und dem von Versicherung B beauftragten Gutachter B (der volle Leistungsfähigkeit attestierte). Es ist nicht so, dass ich den anderen Gutachtern Voreingenommenheit in Abhängigkeit vom Auftraggeber unterstelle, aber ich finde es schon erstaunlich, wenn zwei psychiatrische Gutachter innerhalb von nur wenigen Monaten zu diametral entgegengesetzten Beurteilungen kommen. Da muss ich doch die Validität, Sensitivität und Spezifität der Untersuchungsmedthoden (auch meiner eigenen) sehr infrage stellen. Ich habe versucht, das durch eine kombinierte Betrachtung der quantitativen und der quantitativen Leistungsfähigkeit zumindest etwas verlässlicher darzustellen. Kontext: [1] [2] [3] [4] [5]


Ein Blick auf die Depression: Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (OPS) fordert, dass die Depression von den öffentlichen Gesundheitsämtern behandelt wird. Mit Ketamin soll man Depressionen knacken können. Die lustigen Seiten der Depression. Zurückgelassener Hund stirbt an Depression. Depression - darf oder will man darüber schreiben? We’re going to lose too many people if we don’t do something about it.


Schizophrene, keine Angst vor dem Spion im Bauch! Es gibt eine neue Tablette für euch: "Die Tablette enthält einen winzigen Sensor. Kommt dieser in Kontakt mit Magensäure, sendet er einen elektrischen Impuls aus. Ein spezielles Pflaster, das der Patient trägt, registriert das Signal, leitet die Information an eine App weiter und von dort wandert sie in eine Cloud. So kann der Betroffene dokumentieren und verfolgen, wann er seine Tabletten genommen hat." Patienten mit Diabetes oder Bluthochdruck sind als nächste dran...


Zum Schluss noch ein paar Paradebeispiele der automobilen Schizophrenie, die fleischgewordene Schizophrenie der Smartphonebranche, und der Hinweis, dass das Gehirn von Menschen, die in der Familie Fälle von Schizophrenie haben, stärker auf THC reagiert.

Wahnsinnswoche 2017:32

In dieser Woche 114 Patientenkontakte und 16 Terminausfälle.


Die elektronische "Gesundheitskarte" steht vor dem Aus. Aber die "Gesundheitskarte" muss - warum auch immer - gerettet werden: sie ist schließlich kein Berliner Flughafen und keine Elbphilharmonie.

Karl Lauterbach (SPD) hat diesbezüglich Visionen, die andere nicht haben.

Das Bundesgesundheitsministerium hat Berichte über das Aus der Karte trotzig zurückgewiesen. Das Schlimmste wäre, wenn jede Kasse mit ihrem eigenen System starten würde...

Obwohl es unzählige Gründe gibt, weshalb die persönliche Krankengeschichte nicht auf eine digitale Scheckkarte gehört: immer mehr westliche Demokratien setzen darauf, die Kommunikationsverschlüsselung zu schwächen und Spionage-Software zu nutzen, die Sicherheitsmechanismen auf den Geräten schwächt oder ausschaltet.


Posten Sie auch depressive Bilder ins Internet? Vorsicht - eine Software ist Ihnen bereits auf den Fersen.


Auch die diesjährige Testreihe der "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften" - kurz GWUP - hat keinen Beweis erbracht, dass es Phänomene wie etwa Telekinese gibt.


Zwischen Wahn und Wahnsinn: Dass ein Triumph gegen psychische Erkrankungen wie Depression oder Schizophrenie oft nur von kurzer Dauer ist, macht Hellblade auf schmerzhafte Art und Weise bewusst. Na ja, spielerisch vielleicht...


Manipulation bis in den Wahnsinn: So missbrauchen „Gaslighter“ ihre Opfer.


Wahnsinn der Woche: Das ist Wahnsinn, brutal. Eine bedenkliche Entwicklung. (Nein, nicht das hier ist gemeint.)


Fragen zu Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit beantwortet das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin.


Es hängt vom Lerntyp ab, ob das Spielen von First-Person-Shootern von Vor- oder Nachteil für den Hippocampus ist. Bei Jump'n'Run-Spielern zeigte sich kein Trend zu rückläufiger Grauer Substanz.


Mittlerweile kann man DNA so synthetisieren, dass eingebauter Schadcode anschließend einen DNA-Scanner infiziert und die Kontrolle über den angeschlossenen Computer übernimmt.


Der Chef der Barmer, Christoph Straub, hat die Homöopathie gegen Angriffe verteidigt: "Wir leben in einer pluralen Gesellschaft, die diese Behandlungsform wünscht". Von mir aus. Aber bitte nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft, solange die noch nicht mal die evidenzbasierte Behandlung angemessen bezahlt.

Wahnsinnswoche 2017:31

In dieser Woche 104 Patientenkontakte und 15 Terminausfälle.


Im Rahmen der Änderungen im Betreuungsrecht ist nunmehr die notwendige ärztliche Zwangsmaßnahme nicht mehr zwingend von einer Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung abhängig. Um die gebotene medizinische Behandlung umfassend zu gewährleisten, ist die ärztliche Behandlung vielmehr künftig an einen stationären Aufenthalt im Krankenhaus gekoppelt. Des Weiteren wird das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gestärkt: die ärztliche Zwangsmaßnahme ist nur zulässig, soweit sie dem vom Patienten geäußerten Willen im Sinne des § 1901a BGB (Paragraph zur Patientenverfügung) entspricht. Maßgeblich ist somit der Patientenwille, welchen er in einwilligungsfähigem Zustand in einer Patientenverfügung geäußert hat bzw. der aufgrund anderer Äußerungen oder Umstände ermittelt werden kann. BMJV 24.7.2017


Die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) kassiert als Verwaltungsrätin des Schweizer Pharmakonzerns Siegfried Holding AG pro Monat zwischen 3.500 und 7.000 Euro. Inklusive eines stattlichen Zusatzhonorars für 2016 belaufen sich ihre Einkünfte von der Pharmalobby auf 127.500 bis 205.000 Euro.


30 Jahre Aufmerksamkeitsstörung ADHS

Wahnsinnswoche 2017:28

In dieser Woche 123 Patientenkontakte und 18 Terminausfälle.


Wenn sich ein Smartphone in Ihrer Nähe befindet, verringert sich Ihre kognitive Kapazität - selbst, wenn es ausgeschaltet ist. Dagegen hilft auch kein Gehirntraining.


Selbst moderater Alkoholkonsum erhöht Ihr Risiko für den Verlust von Gehirnzellen im Hippocampus um das Dreifache.


Johanniskraut kann eine Psychose auslösen.


Betrachtungen zur Ursache der Depression.


Nicht alles, was wie eine Depression aussieht, ist auch eine Depression.

Diese Woche zum Beispiel: jemand Anfang Zwanzig kommt mit Überweisung von Hausarzt und deklariert sich wortgewandt und lebhaft als depressiv. Bei Anamneseerhebung kein Hinweis auf depressive Erkrankung, aber auf Kränkung und Enttäuschung nach Trennungserleben. Sowas ist eine verbreitete Reaktion, aber keine Krankheit.

Dann kommt jemand Anfang Zwanzig ohne Überweisung, auf Empfehlung einer Psychotherapeutin, und weiß erst mal gar nicht, warum. Im Kontakt deutlich depressiver Affekt, bei der Anamneseerhebung typisch phasenhafter Verlauf, in der Familienanamnese weitere Depressive. Klarer Fall von Krankheit.

Im ersten Fall biete ich nur die Eingangsdiagnostik und eine kurze Beratung auf Kassenkosten an. Alles Weitere wäre keine Kassenleistung mehr und privat zu bezahlen. Im zweiten Fall handelt es sich um die Behandlung einer Erkrankung, und die ist weiter Kassenleistung.


Lithium hat einige positive Effekte auf Suizidalität und manische Symptome und es wirkt neuroprotektiv. 95% der Menschen. die langfristig mit Lithium behandelt werden, bekommen keine Nierenprobleme. Sie nehmen auch nicht so stark zu, wie unter bestimmten Neuroleptika.


Venlafaxin soll bei übergewichtigen Depressiven besser wirken als Escitalopram oder Sertralin.


Der "Politikchef" der Techniker Krankenkasse (seines Zeichens übrigens Sportlehrer) möchte mit Ihren Daten gern ein weiteres Stück "digitale Solidarität" befördern. Dumm nur, dass die in Krankenhäusern und Praxen nach ICD codierten Diagnosen nicht nur die medizinischen Daten beschreiben, sondern oft auch von ökonomischen Interessen der Kassen verzerrt werden (Stichworte: Diagnosequalität, upcoding, Morbi-RSA). So werden aus big data junk data.


Der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds, Marco Trips, fordert im Interview mit dem änd (paywall) tatsächlich allen Ernstes "einen Rechtsanspruch auf einen Arzt innerhalb einer gewissen Entfernung" - natürlich ohne das Ziel, dass jeder Arzt genug Geld verdient (etwa um die Praxis überhaupt führen zu können). Er kann sich daher "ein staatliches Steuerungssystem für Hausärzte vorstellen". Planwirtschaft pur, oder darf man schon von Zwangsarbeit sprechen? Gottseidank betrifft das nur Hausärzte ;-)


Soulfood: The Most Popular Drum Beat In The World.

Wahnsinnswoche 2017:19

In dieser Woche 150 Patientenkontakte und 11 Terminausfälle.


Scheint ja eine echte Wunderdroge zu sein: Bonner Wissenschaftler haben jetzt bei einer Studie herausgefunden, dass niedrig dosiertes THC (Cannabis) die kognitiven Leistungen alter Labormäuse signifikant verbessert. Hinweis: die Betonung liegt auf "niedrig dosiert" und "alte Mäuse". Während jüngere Menschen eher kognitive Defizite unter Cannabis (pdf) erleiden, verbessert sich die neuronale Plastizität bei älteren Mäusen. Obwohl noch völlig unklar ist, ob das auch auf Menschen übertragbar ist, raschelt es schon im Blätterwald: "Cannabis gegen Demenz", "Alte Kiffer sind schlau", "Cannabis kehrt die Hirnalterung um". Ich wäre vorsichtig mit eigenen Experimenten - wissen Sie zum Beispiel, was eine niedrige Dosis ist?


In England hat ein Kryptotrojaner zahlreiche Krankenhäuser lahmgelegt. Microsoft möchte mit KI-Algorithmen Patienten in Krankenhäusern tracken (sofern die Krankenhaussysteme nicht gerade durch einen Exploit namens EternalBlue, der vermutlich aus dem Arsenal der NSA stammt und eine Sicherheitslücke in Windows Dateifreigaben nutzt, lahmgelegt werden).

Was bin ich froh, dass unsere Bürokraten mächtig Druck machen, um schnellstmöglich die gesamte medizinische Infrastruktur ins Netz zu hängen ... ;-)


Diese Woche wurde der im Februar kurzfristig abgesagte Termin beim Arbeitsgericht endlich nachgeholt und ich durfte mein Gutachten von September 2016 erläutern. Das Ganze verlief sachlich und ruhig, war zwar anstrengend, aber durchaus interessant. Wenn man täglich psychiatrisch arbeitet, fällt einem gar nicht mehr auf, wie wenig Außenstehende von psychischen Erkrankungen tatsächlich wissen. Ich hoffe, ich habe einige Basisinformationen über die Auswirkungen von Angsterkrankungen auf die Arbeitsfähigkeit vermitteln und einen kleinen Einblick in die Systematik der ICD geben können. Immer wieder haben wir den Unterschied zwischen Fahrtüchtigkeit und Arbeitsfähigkeit herausgearbeitet, wobei ich auch darauf hinweisen musste, dass eine rückblickende Betrachtung aus zwei Jahren Abstand naturgemäß nur eine Hilfe zur Entscheidungsfindung durch das Gericht sein kann, und dass ich daher manche Fragen nicht abschließend beantworten konnte. Glücklicherweise hatte ich in meinem Gutachten schon eine Aussage zu den (nicht vorhandenen) Aggravationstendenzen gemacht, sodass ich bei der Frage nach der Validität der Diagnosestellung unter anderem darauf verweisen konnte. Die Person, um die es dabei ging, saß die ganze Zeit in Begleitung eines Anwalts stumm dabei - war bestimmt nicht leicht, eine ganze Stunde klaglos durchzuhalten.


Menschen, die psychische Krisen erfahren und durchlebt haben, helfen akut Betroffenen als Genesungsbegleiter in alltäglichen Fragen weiter.


Aktionen (pdf) der Wuppertaler Sucht- (Selbst-) Hilfe am 17. Mai 2017 (via)


Die Staatsanwaltschaft Gießen ermittelt gegen einen Psychiater wegen des Anfangsverdachtes der Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz. Der Direktor der Psychiatrie des Universitätsklinikums Gießen hatte einen 32-jährigen, ausreisepflichtigen Asylbewerber aus dem Kosovo behandelt und dem Wetteraukreis vorgeworfen, den Flüchtling unter einem Vorwand aus der Klinik gelockt und unmittelbar abgeschoben zu haben. Als Retourkutsche wirft ihm der Kreis Verstöße gegen die ärztliche Schweigepflicht, gegen das Aufenthaltsgesetz sowie versuchten Betrug vor. Im hessischen Landtag gab es deswegen fast eine Prügelei. WTF?


Soulfood: Oliver Huntemann - Rotten (Paranoia Album)

Wahnsinnswoche 2017:16

In dieser Woche 107 Patientenkontakte und 8 Terminausfälle.


Und wieder eine Anfrage zur Berufsunfähigkeit bearbeitet. Ein berufsständisches Versorgungswerk will partout nicht anerkennen, dass eine schwere Depression in Verbindung mit diversen Komorbiditäten die Berufsausübung tatsächlich unmöglich macht. Wir sind jetzt beim zweiten Anlauf, diesmal mit ausführlicher Darstellung der Behinderung nach ICF. Ein Informationsdienstleister bescheinigt der Berufsunfähigkeitsversicherung übrigens Marktversagen.


Nein, ich werde Ihnen kein Cannabis verschreiben, auch wenn Sie sich davon Schmerzlinderung und Appetitsteigerung versprechen. Angesichts Ihrer floriden Psychose mit erheblichen Antriebs-, Affekt-, Denk- und Wahrnehmungsstörungen halte ich nämlich Cannabis mit seiner potenziell symptomverstärkenden Wirkung für absolut kontraindiziert.


Die Bertelsmann-Stiftung fordert (ganz uneigennützig) den digitalen Patienten. Die Geschichte der "Gesundheitskarte" lehrt allerdings, dass es sich wohl um ein Hype Driven Development handeln könnte... Kontext: [1] (pdf)


In gut vier Wochen werde ich Urlaub machen. Bis dahin sind leider schon alle festen Termine vergeben.

Müssen Sie lange auf einen Termin beim Psychiater warten?

Müssen Sie eigentlich gar nicht. Denn das wissenschaftliche Institut der AOK (ab Seite 96) stellt auf dem Papier eine gravierende Überversorgung mit Nervenärzten fest:

Es praktizieren somit gut ein Drittel mehr Nervenärzte in der vertragsärztlichen Versorgung als in der Bedarfsplanung vorgesehen.

Es sollte also keinen Mangel an freien Behandlungskapazitäten geben. Schon gar nicht im Bergischen Land:

Solingen ist mit 286%, Remscheid mit 241% Überversorgung regelrecht mit Nervenärzten gepflastert.

Bundesweit fehlen gerade mal 1,4 Ärzte; in den überversorgten Gebieten gibt es sogar 1.235 zuviel. Eine Unterversorgung besteht nirgendwo!

Die von Minister Gröhe verordneten Terminservicestellen sind also zumindest bei uns völlig überflüssig. Wenn Sie mal mit offenen Augen durch die Stadt gehen, werden Sie an jeder Ecke mindestens einen Nervenarzt oder Psychiater sehen, der verzweifelt seine freien Termine anbietet...

P.S.: Bei den Psychotherapeuten besteht bundesweit eine Überversorgung von 160%. Das mit den durchschnittlich genannten Wartezeiten von 6 Monaten auf einen freien Therapieplatz dürfte also ebenfalls nur ein Phantom sein.

So schön kann Planwirtschaft sein!

Synchronisation von Nachricht und Werbung

Wie das Anzeigenaufkommen von Unternehmen mit ihrer Darstellung im Spiegel und im Focus korreliert.

Der Spiegel berichtet von Zahlungen der Pharmaindustrie an Ärzte und zitiert einen Forscher, "dass Ärzte, die häufig Pharmareferenten empfangen, auch mehr Medikamente verschreiben. Dazu kommt, dass Ärzte, die auf pharmagesponserte Fortbildungen gehen, im Schnitt höherpreisige Präparate verordnen." Zudem betonten industrienahe Ärzte die Vorteile von Medikamenten und neigten dazu, Risiken herunterzuspielen.

Ich zitiere ergänzend aus einer Studie des Instituts für Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Dresden:

Im Rahmen der vorliegenden Studie wird erstmals untersucht, wie die Darstellung von Unternehmen in den beiden führenden deutschen politischen Wochenzeitschriften Der Spiegel und Focus mit dem Umfang von Inseraten zusammenhängt, die Unternehmen in diesen beiden Medien schalten. (...) Als zentrales Ergebnis zeigt sich, dass über Unternehmen sowohl im Spiegel als auch im Focus erstens häufiger, zweitens freundlicher, drittens mit mehr Produktnennungen berichtet wird, je mehr Anzeigen diese Unternehmen schalten.

Kein weiterer Kommentar.

Disclaimer: Nachdem es bis 2015 Terminzettel und Kugelschreiber gegeben hat, erhalte ich seitdem keine Zuwendungen der Pharmaindustrie mehr.

"Jeder zweite Deutsche versteht seinen Arzt nicht" – so irreführend wird über eine Studie berichtet

Die Uni Bielefeld hat im Auftrag der AOK eine Studie zur „Gesundheitskompetenz vulnerabler Bevölkerungsgruppen“ gemacht. Die Berichte darüber sind irreführend, und die politischen Statements dazu mehr als fragwürdig.

1. Zu den Fakten: die Studie gibt es hier als Download (pdf).

Befragt wurden jeweils 500 Jugendliche ohne Hauptschulabschluss und Menschen ab 65, jeweils zur Hälfte mit Migrationshintergrund. Wenig überraschend ist das Ergebnis,

"dass die Gesundheitskompetenz der befragten sozial benachteiligten Gruppen deutlich unter der durchschnittlichen Gesundheitskompetenz der Allgemeinbevölkerung liegt" (Seite 25) - Lese- und Rechenkenntnisse und damit die funktionale Gesundheitskompetenz seien also eher gering. Hinzu kommen sprachliche Hindernisse: je besser die Deutschkenntnisse, desto höher die Gesundheitskompetenz (Seite 55).

Für eine höhere Gesundheitskompetenz braucht man also zusammengefasst (Captain Obvious lässt grüßen):

  • ein höheres Bildungsniveau
  • bessere Sprachkenntnisse

2. Können Ärzte den vulnerablen Gruppen trotzdem verständlich erklären, was zu tun ist? Ja, können sie:

Der Hausarzt ist für alle Befragten die erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen. Insgesamt verstehen rund 80% der Befragten die Anweisungen zur Einnahme von Medikamenten (Seite 14, Item 8), und 70% verstehen, was ihr Arzt ihnen sagt (Item 5), und welche Entscheidungen zu treffen sind (Item 13).

Nur jeder Vierte der Befragten aus den vulnerablen Gruppen versteht also seinen Arzt nicht.

3. Wie wird nun über die Studie berichtet?

Jeder zweite Deutsche versteht seinen Arzt nicht - Augsburger Allgemeine

Jeder Zweite versteht seinen Arzt nicht – Tagesspiegel

Viele Patienten in Deutschland verstehen ihre Ärzte nicht – WAZ

Mehr als die Hälfte der Deutschen hat Schwierigkeiten, die Erklärungen seines Arztes zu verstehen – Frankfurter Rundschau

Schreiben die voneinander ab? Professionelle Echolalie?

Nochmal zur Korrektur:

Ein Viertel (jeder Vierte, 25%) der Befragten aus den vulnerablen Gruppen hat Verständnisprobleme – und nicht „mehr als die Hälfte aller Deutschen“: im Durchschnitt ist deren Gesundheitskompetenz nämlich höher als bei den vulnerablen Gruppen, sodass die Verständnisprobleme insgesamt bei deutlich unter 25% liegen dürften.

4. Was sagt unser Gesundheitsminister denn dazu?

Auf seiner Homepage drückt er sich noch versöhnlich aus:

"Wichtig ist vor allem auch das Arzt-Patienten-Gespräch, um Patienten die Diagnose und Behandlung verständlich zu erklären. Die sprechende Medizin muss deshalb in der Ausbildung und vor allem auch der Weiterbildung von Ärzten und Pflegenden eine stärkere Rolle spielen."

In der Laienpresse hört er sich dann so an:

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) forderte "ein Recht auf Verständlichkeit". Es sei nicht nötig, komplizierte Zusammenhänge so auszudrücken, dass Menschen sie nicht verstehen.“ (Augsburger Allgemeine)

Es gebe ein "Recht auf Verständlichkeit", betonte der Minister. Um komplexe Sachverhalte darzustellen, müsse man nicht in Fachchinesisch verfallen. Aber womöglich gehe es manchem Mediziner mit der Verwendung von schwer verständlichem Vokabular ja auch um eine "Demonstration von Herrschaftswissen". (Tagesspiegel)

Ein verständlicher Satz eines Arztes muss nicht besser bezahlt werden als ein unverständlicher. Auch ein verständliches Gespräch muss nicht länger sein als ein unverständliches.“ (WAZ)

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) forderte „ein Recht auf Verständlichkeit“. (…) Gröhe lehnt es in diesem Zusammenhang ab, den Medizinern für das bessere Eingehen auf die Bedürfnisse der Patienten mehr Geld zu zahlen. „Ein verständlicher Satz muss nicht besser vergütet werden als ein unverständlicher“, so der CDU-Politiker. (Frankfurter Rundschau)

Professionelles Danebenreden. Krass.

5. Mein Fazit:

  • Deutschland braucht mehr Bildung.
  • Zeitungen sollten die vorliegenden, leicht zu recherchierenden Daten richtig darstellen.
  • Der Gesundheitsminister sollte seinen abwertenden Tonfall überdenken und bekennen, dass er für die ausreichende finanzielle Ausstattung der sprechenden Medizin verantwortlich ist.

Lobbyist fordert mehr Mut zur Überwindung bestehender Datenschutzprinzipien

Der neue Präsident des Lobbyverbandes Bitkom hält das Prinzip der Datensparsamkeit in fast allen Lebensbereichen für überholt. Es werde zwar weiter Hackerangriffe mit kriminellem Hintergrund geben, aber Datensparsamkeit wirke sich auf Startups im Bereich E-Health negativ aus. Man müsse hier "deutlich mutiger" werden.

Die Amerikaner sind schon längere Zeit deutlich mutiger: dort gelten weniger strenge Datenschutzregeln.

Und so wurden der Universitätsklinik von Kalifornien, vier weiteren Krankenhäusern und 150 Praxen bei einem Hackerangriff Namen, Geburtstage, Adressen, Krankenakten, Sozialversicherungsnummern und ganze Behandlungspläne von 4,5 Millionen Personen entwendet.